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Nachhaltige Entwicklung

Von den Zinsen leben und nicht vom Kapital

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Sustainability – zu deutsch Nachhaltigkeit – ist die Forderung, ökonomische, soziale und ökologische Entwicklungen nicht gegeneinander auszuspielen, sondern als eine immer wieder neu herzustellende Einheit zu verstehen. Woher kommt das Konzept? Was sind die Stationen seiner Entwicklung und wie sind seine Chancen auf Realisierung?

Altes Problem mit neuer Dringlichkeit

Was haben der Club of Rome und der deutsche Oberberghauptmann Carl von Carlowitz (1645-1714) gemeinsam? Der Club of Rome wurde durch seinen 1972 erschienenen Bericht „Grenzen des Wachstums“ berühmt. In diesem Bericht wird zum ersten Mal und mit drastischen Bildern auf die Unvereinbarkeit kapitalistischen Wirtschaftens und dem Erhalt natürlicher Ressourcen aufmerksam gemacht: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht“ ClubOfRome. Carlowitz hatte bereits 1713 mit dem Konzept der Nachhaltigkeit eine mögliche Lösung parat: „Wird derhalben die größte Kunst, Wissenschaft, Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen, wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen, daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe, weiln es eine unentberliche Sache ist, ohne welche das Land in seinem Esse (im Sinne von Wesen, Dasein, d. Verf.) nicht bleiben mag.“ (zitiert aus seinem Buch „Sylvicultura Oeconomica“, S.105-106). Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft heißt ganz konkret: von den Zinsen und nicht vom Kapital zu leben, indem pro Jahr nur soviel Bäume geschlagen werden, wie nachwachsen.

Die politische Suche nach einem neuen Leitbild

Auf die Warnungen des Club of Rome reagierte die Völkergemeinschaft mit mehreren Konferenzen der Vereinten Nationen – die erste fand bereits 1972 in Schweden statt. Dort wurde eine Kommission für Umwelt und Entwicklung gegründet, deren damalige Vorsitzende die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland war. Vier als zentral angesehene globale Probleme wurden identifiziert: der Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen, die wachsende Ungleichheit in den Einkommens- und Vermögensverteilungen, die zunehmende Anzahl in absoluter Armut lebender Menschen sowie die Bedrohung von Frieden und Sicherheit. Diese sogenannte „Brundtland-Kommission“ wurde vor allem für ihre Definition nachhaltiger Entwicklung berühmt, die sie zur Lösung der erkannten Probleme global durchgesetzt haben wollte: „Eine Entwicklung, welche die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ Die in diesem Verständnis enthaltene Verknüpfung von ökologischer, sozialer und ökonomischer Entwicklung über die Zeit („intergenerationale Gerechtigkeit“) und über alle jetzt lebenden Generationen hinweg („intragenerationale Gerechtigkeit“) wird über viele Jahre zum Leitbild der globalen, auch wissenschaftlichen, Debatte einer nachhaltigen Entwicklung. Die interdisziplinär angelegte wissenschaftliche Forschung sucht in der Folge nach Bedingungen für ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit, die idealer Weise alle erfüllt sein müssen, damit von nachhaltiger Entwicklung im Rahmen dieses sogenannten „Drei-Säulen-Modells“ die Rede sein kann. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen formuliert 1994: „Der entscheidende Erkenntnisfortschritt, der mit dem Sustainability-Konzept erreicht worden ist, liegt in der Einsicht, dass ökonomische, soziale und ökologische Entwicklung nicht voneinander abgespalten und gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Soll menschliche Entwicklung auf Dauer gesichert sein, sind diese drei Komponenten als eine immer neu herzustellende notwendige Einheit zu betrachten.“ Die im Jahre 1992 stattfindende UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro gilt als eine Art Höhepunkt dieser Debatten und fand, nicht zuletzt aufgrund der vorhergehenden Umweltkrisen (Atomkatastrophe im russischen Tschernobyl, Chemieunfall im indischen Bhopal, mehrere Öl-Tanker-Unfälle), eine breite öffentliche Aufmerksamkeit. Seither finden regelmäßig UN-Konferenzen statt, die Strategien dafür entwickeln, wie mit bis dato nicht erreichten globalen Zielen im Umweltschutz sowie mit neuen globalen Herausforderungen – z.B. Ozon-Loch, rapider Rückgang der Bio-Diversität, Folgen des Klimawandels – umzugehen sei. Das Hauptergebnis der Rio-Konferenz, auf der neben politischen Repräsentant/-innen der beteiligten Länder auch Nicht-Regierungs-Organisationen mitarbeiteten bzw. ihre eigen Parallelkonferenz durchführten, stellen vier Dokumente bzw. damit verknüpfte Ziele der Weltgemeinschaft dar: die „Klimarahmenkonvention“, die „Konvention über die biologische Vielfalt“, die „Walderklärung“ sowie die „Agenda 21“. Die Unterzeichnerländer verpflichten sich, diese Konventionen zu ratifizieren.

Öko-Effizienz, Konsistenz und Suffizienz

Welche Strategien und Handlungslogiken stehen zur Verfügung, um Nachhaltigkeit zu realisieren? Genannt werden Ökoeffizienz, Konsistenz und Suffizienz. Effizienz beinhaltet die Überzeugung, dass die gegebenen technischen Möglichkeiten eine Erhöhung der Ressourcenproduktivität ermöglichen und damit den Weg in Richtung nachhaltige Entwicklung einschlagen können. Richtungsweisend für dieses Leitbild ist „Weiter so!“. Neben Energieeinsparung und Recycling, bieten die Informations- und Kommunikationsmedien neue Wege eines effizienteren Umgangs mit natürlichen Ressourcen: die Substitution von Geschäftsreisen durch Videokonferenzen, oder die Kommunikation und den Dokumentenversand via e-mail. Etwas weiter geht das Konzept der Konsistenz, in dem es um die Übereinstimmung der anthropogenen und geogenen Stoffströme geht. Es gilt so zu leben und zu wirtschaften, dass der natürliche Stoffkreislauf nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Dieses Leitbild erfordert neben technischen auch soziale Innovationen und damit eine Veränderung in den Konsumgewohnheiten. Stichwort: Von der Quantität zur Qualität. Eine tiefgreifendere Veränderung in den Lebens- und Konsumgewohnheiten der Menschen fordert das dritte Leitbild der Suffizienz. „Es genügt“ lautet hier das Stichwort. Gefordert ist eine Entwicklung weg von der Produktionsorientierung hin zu einer Dienstleistungsorientierung: Nutzen statt Besitzen. Dabei soll es nicht, wie dieser Strategie häufig vorgeworfen wird, um „Öko-Diktatur“ gehen, sondern um eine Entwicklung vom Haben zum Sein, die sich von Mensch zu Mensch unterscheidet und die, folgt man den Überlegungen des Schweizer Umweltforschers Pierre Fornallaz, ein Beleg sei für die Erreichung eines gewissen Reifestadiums des Menschen: „Die gesuchte Grenze des materiellen Wachstums muss also aus innerer Einsicht durch jeden einzelnen Menschen gezogen werden.“ Der leitende Gedanke der Nachhaltigkeit, dass die spezifischen Zielsetzungen und Potenziale der Elemente Natur, Wirtschaft bzw. Technik und Gesellschaft zusammengebracht werden müssen, um eine neue Strategie der Konsistenz bzw. der Innovation zu etablieren, folgt dem südamerikanischen Sprichwort „Der Weg entsteht beim Gehen“. Dabei gelten folgende Grundregeln: Es dürfen nicht mehr Schadstoffe in die Stratosphäre eingebracht werden als diese aufnehmen kann und es dürfen nicht mehr menschlich produzierte Schadstoffe in die Erde eingebracht werden als diese in der Lage ist zu verarbeiten. Der Erde darf nicht mehr entnommen werden als natürlich in ihr reproduziert wird, denn das Gleichgewicht der Erde ist abhängig von externer Energie, und was über die Verarbeitungskapazität der Erde hinausgeht, zerstört sie.

Die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln

Was tun die Deutschen um ihren „ökologischen Fußabdruck“ zu reduzieren? Der ökologische Fußabdruck (oder auch: CO2-Fußabdruck) bezeichnet die Menge an produktiven Land- und Wasserflächen, die notwendig ist, die Ressourcen, welche die Menschen konsumieren, bereitzustellen und ihren Abfall aufzunehmen. Der durchschnittliche Fußabdruck des Europäers liegt bis zu 250 Prozent über den zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen und ist neun mal höher als der durchschnittliche Fußabdruck der afrikanischen Bevölkerung. Der Lebensstil der Europäer geht somit deutlich zu Lasten der ‚Tragekapazität‘ der Erde – der größten Zahl der Individuen, mit einem spezifischen Lebensstil, die ein wohl umgrenzter Raum tragen kann – und ist damit definitiv nicht nachhaltig bzw. zukunftsfähig. In den unterschiedlichen Studien zum Umweltbewusstsein in Deutschland wird immer wieder deutlich, dass es keine direkte Beziehung zwischen der Wertorientierung und dem Konsumverhalten gibt. D.h. ein hohes Umweltbewusstsein führt nicht zwangsläufig zu nachhaltigem Konsum, und ein niedriges Umweltbewusstsein schließt nachhaltigen Konsum nicht per se aus. Auch wenn ein Großteil der deutschen Bevölkerung weiß, dass die individuelle Lebensführung auf Dauer das Klima bedroht, die Vielfalt der Arten reduziert, das Trinkwasser immer knapper werden lässt, so ist doch nur eine Minderheit bereit, im Alltag auf das Auto zu verzichten, für Urlaubsreisen nicht das Flugzeug zu benutzen, ökologische Lebensmittel zu kaufen oder beim Kauf von Möbeln auf das Zertifikat ‚nachhaltige Holzwirtschaft‘ zu setzen. Dies, obwohl 80 Prozent der Menschen in Deutschland – laut einer repräsentativen Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes – der Meinung sind, dass der Mensch für den Klimawandel verantwortlich ist. Über 90 Prozent der Befragten hält den Erhalt der Biodiversität für unabdinglich und 84 Prozent zeigen sich davon überzeugt, mit einem umweltbewussten Einkaufsverhalten wesentlich zum Umweltschutz beitragen zu können. Der von der Bundesregierung eingesetzte Nachhaltigkeitsrat schreibt: „Nachhaltig konsumieren heißt, bewusst zu konsumieren und sich die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekte des Konsums bewusst zu machen. Unter welchen Bedingungen wurden beispielsweise die Kleidung oder der neue Computer hergestellt? Sind die Arbeiter angemessen bezahlt worden? Waren sie bei der Produktion schädlichen Stoffen ausgesetzt? Und wie sieht es mit den Umweltauswirkungen der Produkte aus? Welche Produkte von welchem Unternehmen möchte ich mich mit meinem Einkauf nachfragen? Kaufe ich Lebensmittel im Supermarkt, im Discounter, im Bioladen oder auf dem Wochenmarkt? Wie viel Geld habe ich zur Verfügung und wofür kann ich es ausgeben?“ Wie viele der gestellten Fragen spielen in Ihrem Alltagsbewusstsein eine Rolle?

Gut ausgebildete Mütter als Vorreiter

In den letzten Jahren macht im internationalen Kontext eine spezifische Lebensform von sich reden, welche die Marktforschung als LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) kennzeichnet. Hier geht eine positive Umwelteinstellung mit der Bereitschaft einher, in weiten Bereichen umweltorientiert zu handeln. Gründe dafür liegen in der Vorstellung des ‚richtigen’ Lebens, einem Mehr an sozialer Gerechtigkeit und dem Wunsch, sich und seine Familie gesund zu ernähren. Aktuell taucht nun auch in Deutschland in den Umfragen des Sinus-Instituts aus dem Jahr 2010 ein neuer Lebensstil auf, den die Forscher „sozial-ökologisch“ nennen. Er ähnelt den LOHAS in hohem Maße und umfasst ca. 7% der befragten Personen. Die Vertreterinnen und Vertreter dieses Lebensstils sind gut gebildet, verfügen über ein mittleres bis hohes Einkommen und gehören der bürgerlichen Mittelschicht an. Jenseits der Lebensstile gilt: am ehesten nachhaltig verhalten sich gut ausgebildete Mütter zwischen 40 und 60 Jahren. Die Sorge um die Gesundheit der Familienmitglieder fördert die Tendenz zu nachhaltigem Konsum. Dies bezieht sich stärker auf Ernährung, Einkauf für den täglichen Bedarf und Wohnungseinrichtung und weniger auf Mobilität und Freizeitverhalten. Daneben spielen Lebensumbrüche – nicht nur die Familiengründung – eine nicht unerhebliche Rolle beim Konsum. So ist die Chance, auf ÖPNV umzusteigen, selten so groß wie im Moment des Stellenwechsels, bevorzugt im städtischen Kontext. Aber auch Phasen der Erwerbslosigkeit verringern rein quantitativ den individuellen Konsum. In diesem Sinne muss Nachhaltigkeit nicht zwangsläufig mit einem entsprechenden Umweltbewusstsein einhergehen, sondern kann auch schlicht der Logik des Sparens folgen.

Politik der kleinen Schritte oder absolutes Umdenken?

Was genau ist zu tun, will man sich nachhaltig verhalten? Der von der Bundesregierung eingesetzte Nachhaltigkeitsrat empfiehlt: Beim Einkaufen soll auf Ökolabels, auf „Fairtrade“, und auf regionale Produkte geachtet werden. Im Segment Mobilität ist der nicht motorisierte Verkehr zu präferieren. Empfohlen werden weiterhin: ÖPNV, Intermodalität (nicht nur eine Fortbewegungsart nutzen, sondern wenn möglich, zwischen Auto und Fahrrad o. Ä. wechseln), Car Sharing und Urlaub in der Region. Im Bereich des Wohnens werden erneut Ökolabels genannt und es werden Hinweise auf Energieeffizienz und geringen Raumbedarf gegeben. Die zunehmende Bedeutung von Ökostandards und Ökolabeln bringt auch die Wirtschaft in Zugzwang, die jahrelang – aus ihrer Sicht – auch recht erfolgreich auf die Idee der freiwilligen Selbstverpflichtung gesetzt und damit die politischen Vorgaben in Richtung Nachhaltigkeit auf einem geringen Level gehalten hat. Öffentliche Auftraggeber fordern zunehmend die Einhaltung von Ökostandards und auch die Endkundinnen und Endkunden erhöhen – u.a. wegen der Lebensmittelskandale der letzten Zeit – ihre Aufmerksamkeit und verlangen nach mehr Informationen über Herkunft und Herstellungsweise der Produkte. Aktuell hat die Verbraucherzentrale, gefördert vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, eine Website für mehr Lebensmittelklarheit eingerichtet, auf der die Verbraucherinnen und Verbraucher Informationen zu einzelnen Produkten finden ( lebensmittelklarheit.de). Dies alles sind kleine Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung im globalen Kontext. Vor allem aus den Naturwissenschaften werden in der letzten Zeit immer mehr Stimmen laut, die ein deutliches Umdenken fordern, will man den Klimawandel zumindest anhalten, oder den immensen Verlust an Biodiversität drosseln. Das Ende der Atomkraft in Deutschland und der Umstieg auf erneuerbare Energien mag ein solches Umdenken in die Wege leiten. Ob wir aber konsequent auf dem Weg bleiben, den bereits Herr von Carlowitz gefordert hatte, und ob wir in Zukunft weniger und bewusster konsumieren werden, darf jedoch – nicht zuletzt angesichts der globalen Entwicklungen – durchaus angezweifelt werden. Solange Billigprodukte aus China oder Indien unsere Märkte überschwemmen und solange deutsche Automobilunternehmen in China oder Indien Autos ohne Katalysatoren bauen und verkaufen, kann von Umdenken nicht wirklich die Rede sein. Die Idee vom globalen Denken und lokalen Handeln im Nachhaltigkeitsdiskurs meint aber etwas anderes: wenn wir es beispielsweise schaffen, im regionalen Kontext im Rahmen konzertierter Aktionen konsequent auf die Nachhaltigkeit unseres Handelns zu achten, dann sind auch die Regionen, mit denen wir Handel betreiben, gehalten, sich an Nachhaltigkeit zu orientieren. Beispiele dafür sind auch in der Metropolregion Ruhr die verschiedenen Initiativen lokaler Nachhaltigkeit, die vor allem auf die Eigeninitiative von Bürgerinnen und Bürgern und auf die Ausgewogenheit zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Aspekten setzen (vgl. z.B. Facebook ; IFN; Bochumer Gesellschaft für nachhaltige Entwicklung). Aber auch regionale Projekte wie Extra-Radwege oder Bemühungen um Bildungsangebote zu nachhaltigem Handeln sind kleine Schritte in die richtige Richtung.

Autorin: Birgit Blättel-Mink ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Industrie- und Organisationssoziologie an der Goethe Universität Frankfurt. Sie forscht seit vielen Jahren zu Fragen des Umweltschutzes in der Wirtschaft und beim privaten Konsum. Aktuelle Forschungsprojekte zum Thema Nachhaltigkeit von online gestützten Gebrauchtwarenhandel und von Elektromobilität.

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Leben in Einheit mit der Umwelt. Foto: Meredith Farmer (CC)

Elektromobilität

Die alltägliche Mobilität von und zur Arbeitsstelle, oder für die Versorgung der Familie, ist Routine. Der Umstieg auf alternative Formen der Mobilität, z.B. zu Elektrofahrzeugen auf der Basis von regenerativem Strom, oder gar weg vom eigenen KFZ hin zur Nutzung von Elektro-Car-Sharingsystemen wird nur möglich sein, wenn dies für den durchschnittlichen Bürger / die Bürgerin mit einem Mehrwert einhergeht (geringere Kosten, mehr Spaß, mehr Bequemlichkeit). Selbst die so umweltbewussten Mütter machen hier keine Ausnahme, bedeutet für sie das eigene Auto doch eine Erleichterung bei und auch einen gewissen Freiraum neben der Versorgung der Familie. Das Elektroauto ist aber im Moment, bei aller öffentlichen Förderung, noch deutlich teurer als Autos mit konventionellen Motoren. Die deutsche Automobilindustrie vertritt hier eine klare Linie: sie bewirbt den individuellen Autobesitz und tut sich mit alternativen Mobilitätstypen sehr schwer.

Biodiversität

Der Begriff umschreibt die Fülle des Artenreichtums der Erde: von unterschiedlichen Pflanzen, über Tiere bis hin zu Mikro-Organismen und den Ökosystemen, in denen sie existieren. Der Erhalt der Biodiversität ist dabei kein ästhetischer Selbstzweck. Die Erhaltung und nachhaltige Nutzung des Biosystems Erde stellt die wichtigste Grundlage für den Fortbestand und das Wohlergehen der Menschheit dar. Die Funktionalität von Ökosystemen ist auf bisher noch nicht absehbare Art von dem komplexen Zusammenspiel der unterschiedlichen Arten abhängig: die schiere Häufigkeit einer Art lässt nicht auf ihre Bedeutung bzw. ihren Einfluss auf ein Ökosystem schließen. Dabei gilt es nicht nur, vom Aussterben bedrohte Arten zu retten, sondern auch Migrationsbewegungen von Spezien zu unterbinden. Invasive Arten weichen auf Grund menschlicher Aktivität in fremde Ökosysteme aus, in denen sie teilweise fatale Konsequenzen entfalten können. Im Rahmen der Biosecurity gilt es, migrierenden Arten neue Lebensräume zu schaffen. Die Folgen abnehmender Biodiversität treffen an vorderster Stelle die arme, ländliche Bevölkerung, da sie in hohem Maße von der Nutzung und den Erträgen ihrer biologischen Umwelt abhängig ist. Der ökonomische Wert der Biodiversität liegt bei geschätzten 33 Billionen Euro pro Jahr: einem Vielfachen des weltweiten Sozialprodukts.


2010 - Jahr der Biodiversität. Foto: President of the European Council (CC)

Ist eBay nachhaltig?

Durchschnittlich lagern in jedem deutschen Haushalt nicht mehr benutzte Güter im Tauschwert von ca. 1.000 Euro. Der Gebrauchtwarenhandel kann zur Verlängerung der Lebenszeit von Gütern und zu weniger Neukäufen beitragen. Dies betrifft vor allem Güter, die keine Energie verbrauchen (z.B. Kinderkleidung, Bücher, Möbel). Die globale Online-Plattform eBay potenziert diese Möglichkeiten und fördert den ökologischen Versand. Der / die durchschnittliche NutzerIn von eBay ist jedoch nicht besonders umweltbewusst eingestellt, sondern kauft und verkauft gebrauchte Güter aus finanziellen Gründen, um sich mehr leisten zu können, oder damit andere Menschen etwas davon haben, um qualitativ hochwertige gebrauchte Güter zu besitzen, oder einfach wegen des Spaßfaktors. Diese Motive sind legitim so lang sie effektiv dem Umweltschutz dienen.


Politische Beratungen. Foto: President of the European Council (CC)

Der Traum vom grünen Auto. Foto: Jan Munnings (CC)

Schnellstrasse für Radfahrer

„Im Ruhrgebiet soll zwischen Duisburg und Dortmund eine rund 60 Kilometer lange Schnellstraße für Radfahrer geschaffen werden. Die fünf Meter breite Rad-B1 soll asphaltiert, steigungsarm, weitgehend kreuzungsfrei und abends beleuchtet sein. Mit dieser Hochleistungsstrecke wollen die Revierstädte Berufspendler zum Umstieg aufs Fahrrad motivieren und so die chronisch verstopften Autobahnen in der Region entlasten.“ LoveGreen

Beispiele aus der Metropolregion Ruhr

Gelsenkirchen-Bismarck setzt auf Partizipation: „Gut funktionierende und institutionalisierte (Stadtteilbüro) lokale Beteiligungsprozesse haben ein Musterbeispiel der „Lokalen Ökonomie“ entstehen lassen: Neue Arbeitsplätze, (selbstentworfene) Freizeiteinrichtungen, Kulturstätten und zivilgesellschaftliche Mitverantwortung scheinen solide in der Quartiersbevölkerung verankert zu sein. Stadt- oder regionalökonomische Effekte waren dabei aber eher kein oder nur ein indirektes Ziel (z.B. in Form von sozialem Frieden, Konflikt-Armut, Selbsthilfe-Potenzial und anderen Standort-Gunstfaktoren.“ Industriebrachen.

Ökologischer Fußabdruck

Dieser Begriff bezeichnet die Fläche der Erde, die notwendig ist, den Lebensstil eines individuellen Menschen dauerhaft zu ermöglichen. Ausgedrückt wird diese Fläche als Faktor, der sich aus dem Verhältnis von tatsächlich vorhandener Kapazität und verbrauchten Ressourcen errechnet. Dabei wird die komplette Produktionskette mit eingerechnet: von der Kohlendioxid-Abgabe bei der Produktion der Rohstoffe (sei es Fleisch oder Kunststoff...), über die Energiekosten der Verarbeitung, des Transports, der Kühlung, bis zum Verbrauch und der anschließenden Müllverwertung. Das Konzept wurde 1994 von Mathis Wackernagel und William E. Rees entwickelt und dient oftmals zur praktischen Unterstützung einer nachhaltigen Lebensführung. Da jeder Mensch basierend auf seinem individuellen Lebensstil einen ökologischen Fußabdruck berechnen kann, ist die Auswirkung von Veränderungen im Lebensstil (Beispielsweise der Verzicht auf Fleisch oder Flugreisen) leicht ablesbar: Footprint Deutschland

Ultimatives Recycling. Foto: Stuart Anthony (CC)

Wissenswertes


Rauchender Schlot. Foto: Stuart Crawford (CC)

Nachhaltige Systeme

Das Konzept der Nachhaltigkeit beschreibt die Nutzung eines regenerierbaren Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise regeneriert werden kann (Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode: Schlussbericht der Enquete-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten Drucksache 14/9200, 12. Juni 2002).

Fairtrade

Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzenten und Arbeiter – insbesondere in den Ländern des Südens – leistet der Faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung. Fairhandelsorganisationen (die von Verbrauchern unterstützt werden) sind aktiv damit beschäftigt, die Hersteller zu unterstützen, das Bewusstsein zu steigern und für Veränderungen bei den Regeln und dem Ausüben des konventionellen internationalen Handels zu kämpfen. Die strategische Absicht des fairen Handels besteht aus folgenden Punkten:
· Gezielt mit Herstellern und Arbeitern zusammenarbeiten, die an den Rand gedrängt wurden, um sie von einer sehr schwachen Position zu Sicherheit und Autarkie zu bewegen
· Hersteller und Arbeiter als Teilhaber innerhalb ihrer eigenen Organisationen stärken
· sich aktiv darum zu bemühen, eine größere Rolle in der globalen Arena zu spielen, um mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel zu erreichen.
(European Fair Trade Association. (2006). Definition of Fair Trade).

Zertifizierungen & Kritik

Der Markt der Bio- und Fairtrade-Produkte gründet auf einem hohen Maß an Vertrauen seiner zumeist ethisch bewussteren Kunden, das diese in die Produkte der konventionellen Industrie längst verloren haben. Zu Kennzeichnung und Garantie der Qualitätsmaßstäbe sind mittlerweile zahlreiche Zertifizierungen und Gütesiegel am Markt verfügbar. Neben dem EU-Biosiegel gibt es die Standards der Bioverbände Bioland und Demeter, die jeweils noch weit über die von der EU geforderten Produktionsbedingungen hinausgehen. Für den Fairtrade-Sektor hat sich das Siegel von Transfair durchgesetzt: Vorreiter für Fairtradeprodukte war hier der Kaffee. Während sich in der Holzindustrie die Zertifizierung durch den FSC (Forest Stewardship Council) durchgesetzt hat, gibt es in der Textil- und Bekleidungsindustrie bisher noch keine einheitlichen oder verlässlichen Gütesiegel.

Obwohl diese Zertifizierungen der Qualitätskontrolle dienen sollen, ist zahlreiche Kritik an ihnen laut geworden. Dem Konsumenten stellt sich die Frage, welches Produkt denn nun ethisch besser ist: Import-Fairtrade, biologisch, regional oder eine beliebige Kombination? Den Produzenten grade in den armen Herkunftsregionen stellt sich die Frage, welchen Zertifizierungsprozess man sich leisten kann. Die Herstellerkonzerne haben die Bedeutung und die Herausforderungen des kleinen, aber wachsenden Marktsegments der „grünen“ Produkte erkannt: neben der Möglichkeit, das eigene Image aufzupolieren, können hochpreisige Produkte an eine zumeist kaufkräftige, qualitätsbewusste und gut informierte Käuferschicht abgesetzt werden. So haben mittlerweile fast alle Anbieter ethisch korrekte Produkte im Angebot und Werbefokus, während sich die Produktions- und Unternehmenspraktiken auf breiter Basis nicht verändert haben.

Nachhaltiger Gewässerschutz

Auch für die Gestaltung und Bewirtschaftung der Gewässer-Ökosysteme gibt es nachhaltige Konzepte und Rahmenrichtlinien. So gilt für den Gewässerschutz die Europäische Gewässer-Richtlinie WRRL. Das Ziel dieser Richtlinie ist es, europaweit die Qualität der Oberflächengewässer und des Grundwassers deutlich zu verbessern. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verpflichten sich, bis zum Jahr 2015 alle Oberflächengewässer (also die Seen, Bäche, Flüsse und Küstengewässer) sowie das Grundwasser in einen „guten Zustand“ zu bringen. Diese EU-Richtlinie ist eine Konsequenz der 1992 von den Regierungschefs der 179 UN-Länder auf der „Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung“ beschlossenen Agenda 21. So wird nun das globale Handlungsprogramm in lokale Gewässer-Projekte geführt und konkret vor Ort umgesetzt. Im Rahmen des Masterplans Emscher Zukunft gestaltet die Emschergenossenschaft den kompletten Flusslauf der Emscher und die zugehörigen Wassersysteme neu. So werden nicht nur Ziele eines nachhaltigen Gewässerschutzes verfolgt, sondern auch zerstörte Ökosysteme renaturiert und zahlreiche Arten neu angesiedelt. Das Projekt wird im Dialog mit der Bevölkerung realisiert und bietet zahlreiche Optionen, individuell für eine nachhaltige Entwicklung aktiv zu werden. Neben Bachpatenschaften und Bacherkundungen für Schulen & Vereine bietet sich in Gestaltungswerkstätten die Möglichkeit, in laufende Planungsvorgänge zu schauen und mitzureden.


Die Welt in Händen. Foto: Rosie O'Beirne (CC)

Zum Weiterlesen

· Agenda 21
· Footprint Network
· Umweltdaten
· Armin Grunwald und Jürgen Kopfmüller (2006): Nachhaltigkeit. Campus Einführungen. Frankfurt am Main
· Leo Hickman und Theda Krohm-Linke (2006): Fast Nackt: Mein abenteuerlicher Versuch, ethisch korrekt zu leben. München.
· Ulrich Grober (2010): Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs. München.
· Stéphane Hessel (2011): Engagiert Euch!: Im Gespräch mit Gilles Vanderpooten. Berlin.
· Stéphane Hessel (2011): Empört Euch!: Im Gespräch mit Gilles Vanderpooten. Berlin.
· Zur Lage der Welt 2010 (2010): Einfach besser leben: Nachhaltigkeit als neuer Lebensstil. München.
· Kurt Mitterer, Volker Buschegger, Bernhard Witzeling (2011): Gelebte Nachhaltigkeit. Wien.


Bio Lifestyle. Foto: Lobi (CC)