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Abschied bedeutet immer auch Aufbruch

Zum fotografischen Blick im „Bridges Projekt“

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Nie wurde vollmundig eine zweite Schweiz oder gar eine deutsche Toskana bei der Umgestaltung der Emscher versprochen; man nahm sich stattdessen gezielt vor, ökologisch weitgehend intakte Flusslandschaften zu schaffen. Und man ermunterte bekannte wie weniger bekannte Fotografen, andere Qualitäten in den Blick zu nehmen als den aussichtslosen Anschluss an Jahrhunderte lang besungene europäische Kulturlandschaften.

Fotografie jenseits idealisierter Landschaft

Gerade in Industriebrachen ist es gegenwärtig möglich, so der Biologe Jörg Dettmar, der maßgeblich das Interesse für die dort ansässige Pionier-Flora weckte, Gräser und Pflanzen auch mit den Augen des Malers zu sehen. Hier können ästhetische Entdeckungen gemacht und vorsichtige Neubesetzungen des Landschaftsbildes vorgenommen werden. Und wirft man einen Blick auf die Ge-schichte der Landschaftsmalerei, so waren es für ihre Epoche wegweisende Maler wie zum Beispiel Dürer (man denkt in diesem Kontext an sein „Großes Rasenstück“) oder van Gogh, die sich von den idealisierten Landschaftsvorstellungen ihrer Zeit lösten, um auch einfache, ja arme Aspekte von Landschaft ins Bild zu setzen.
Gegenwärtig ist die Fotografie das Medium, das dazu prädestiniert ist, den Blick auf Details zu lenken und mit der Kamera geschaffene, übergreifende Zusammenhänge sichtbar werden zu lassen. Das Interesse, das mit einer Serie auf ein bisher banal erscheinendes Phänomen gelenkt wird, die Wahl eines überraschenden Bildausschnittes, oder eine zunächst eher beiläufig daher kommende Dokumentation schaffen Wertschätzung oder dienen als Memento für gelebte Geschichte.
Gigantische Industriearchitektur und in ihrem Schatten und Dreck der mehr oder weniger heroisch um seinen Platz kämpfende Mensch prägten nachhaltig das soziale Bild von der Ruhrmetropole (Horst Lang: „Als der Pott noch kochte. Das Ruhrgebiet in den Sechziger Jahren. Schirmer/Mosel Verlag“). Gleichzeitig schärfte das Lebenswerk von Bernd und Hilla Becher das Auge für eine differenzierte, abwägende Betrachtung von Industriearchitektur.

Bilder von einer Region im Umbau

Übersieht man die von der Emschergenossenschaft in die fotografische Sammlung „Bridges“ aufgenommenen oder auch andere in Auftrag gegebenen Arbeiten (das „Pixelprojekt_Ruhrgebiet“ oder „Ruhr-Blicke. 2010“ bedürften einer eigenen Betrachtung), so lassen sich unterschiedliche fotografische Fragestellungen, aber auch Praktiken ausmachen, die Aussagen zu Lebensqualität und regionalen oder zeitspezifischen Problemen treffen – manches aber ist auch das Resultat der einmal eingenommenen Haltung und der fotografischen Umsetzung. Man kann weiterhin eine Klage über Raubbau, trostlose Stadtplanung, finanzielle Misere und unwiederbringlich Verlorenes formulieren. Man kann die Schönheiten der alten Wälder und Pflanzen in Senken aufspüren, wie Werner Köntopp im Emscherbruch mit Lichtreflexionen, Spiegelungen, Frühnebel und Sonnen beschienenem Herbstlaub vor Augen führt. Man kann aber auch eine Verbindung zu anderen, industriell geprägten Ländern herstellen: Indem man wie Ekkehart Bussenius und Tania Reinicke nur für den Ortskundigen unterscheidbar, im Freizeitlook gekleidete Jugendliche, Naturbilder und unbestimmte Stadtszenen in Dortmund und der serbischen Partnerstadt Novi Sad aufnimmt oder wie Olga Kessler in Dortmund-Hörde Jugendliche und Landschaft, die man sich durchaus so auch in einer Industriestadt in Osteuropa oder der ehemaligen Sowjetunion vorstellen könnte. Oder man unternimmt ausgedehnte Fahrrad- oder Wandertouren: Jeweils entstehen andere Vorschläge, sich Bilder von einer Region im Umbau zu ver-schaffen. „Das Gebiet“ (Joachim Schumacher: Das Gebiet. Kettler Verlag 2014), „Das Areal“ „Lärmschutzwände an der A 40“ – eine solch gern gewählte, lakonische Bezeichnung für den Gegenstand der eigenen fotografischen Arbeit zeigt gebotene Nüchternheit an und klingt nach dem schönfärbenden Marketingdeutsch anderswo geradezu wohltuend unangestrengt. Aber auch Titel wie „Emscher Milljöh“ (Joachim Schumacher) melden ungeschminkte, dichte Straßenszenen an, durchaus so, wie das Bild vom „alten Pott“ das allmählich auch verblassende Bild vom Berliner Kiez ergänzt.

Eingefangene Fundstücke

Je beiläufiger ein Vorgehen und die Bildauswahl aussehen – besonders Arbeiten, die auf längeren Wegen entstanden sind und so, ohne sich auf ein Thema zu spezialisieren, ein großes Terrain in den Blick nehmen – desto vielfältiger ist das, was man zu sehen bekommt und desto unbeschwerter erscheint es. Das mag damit zu tun haben, dass die Dinge oder die Architektur nicht, wie es sonst bei Einzelaufnahmen oder Werkserien zu einem Thema der Fall sein mag, als für die Ewigkeit festgeschrieben erscheinen, sie befinden sich stattdessen, wie schon das Sich Fortbewegen selbst, mit uns im Fluss: Hier und jetzt sieht es so aus, ein paar Schritte zur Seite und es ergibt sich schon wieder ein ganz anderer Aspekt. Denn ebenso wie früher auf Familienaufnahmen alles schön drapiert wurde, oder man die Kamera bei der Pauschalreise über die Menschenmassen hinweg auf die Gebäude richtete, kann man sie auch explizit auf achtlos Weggeworfenes und Schadhaftes oder im Kontext des gewählten Bildausschnitts lächerlich Erscheinendes richten.
Jesus in Oratorenhaltung auf einem Grabstein im Vorgarten, ein alter Plattenspieler und eine Formation von Hunden auf dem Feld, bei deren Anblick man rätselt, ob sie echt oder aus Porzellan sind, begegnen einem auf dem Weg, den Martin Kunze nimmt; er ist zu Fuß am Emscherlauf unterwegs. Das fasziniert als Präsentation liebevoll und einzeln eingefangener Fundstücke, versucht man hingegen solche Begebenheiten programmatisch in einer eigenen Serie zu fassen, wird es mit dem liebevollen Blick schon schwieriger.
Hendrik Lietmann setzt auf das beiläufig umher schweifende Auge in der Perspektive eines Fahrrads, das sich auf einem Radweg fortbewegt. Die Kamera ist unter der Vorderlampe angebracht, die Bilder wurden zwar vom Fotografen ausgelöst, sie erscheinen aber doch vom Zufall bestimmt – mit abgeschnittenen Rändern, Personen, von denen nur Teile zu sehen sind, ohne kompositorische Absicht. Trist und diffamierend ist dies indes nicht, sondern besticht durch den Reiz des Temporären und Unverstellten, nichts wird so bleiben wie es ist. Und anders als bei einer nach traditionellen Vorstellungen schönen Kulturlandschaft löst dies auch keine Wehmut aus, der Abschied ist immer auch ein Aufbruch.

Religion und Arbeit

Religion, Internationalität und Migration sind Themen, die – wahrscheinlich wäre man in der heutigen politischen Situation da belasteter – bereits programmatisch angesprochen werden mit dem Cover einer Publikation von 2011 zur IBA, auf dem eine islamisch gekleidete Besucherin der Zeche Zollverein zu sehen ist. Sie trägt ein fotogenes knallrotes Kopftuch (Internationale Bauausstellung Emscher Park. Impulse. Lokal, regional, national, international. Hrsg. v. Christa Reicher, Lars Niemann, Angela Uttke. Klartext Verlag 2011). Die zunehmende Präsenz nicht christlicher Religionen findet sich in der Serie „Cami“ von Anette Jonak: Moscheen stehen inmitten von unscheinbaren Wohnsiedlungen, es sind nicht nur Schlote, sondern zunehmend auch Minarette, die zeichenhaft gen Himmel ragen. Sakralbauten aus den 50er bis 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts gilt ein Werkkomplex von Gregor Theune, hier versuchten die Architekten jenseits traditioneller Formensprache sich den baulichen Vorlieben einer Zeit anzugleichen. In ihrer sonntäglichen Eleganz sich von den Durchschnitts-Bewohnern abhebende schwarze Gemeindemitglieder einer Pfingstkirche posieren für Daniel Hofers Aufnahmen. Aber auch Dortmunder Stricher aus Bulgarien und der Türkei sind Thema einer Arbeit von Rosa Maria Rühling, die feinfühlig und behutsam durch fahle oder warme Farbwahl, spontan erscheinende Bildausschnitte, aber auch Unschärfe die schwierige Lebenssituation der jungen Männer einfängt.
Serien mit Bildgegenständen wie Kassiererhäuschen auf der Kirmes, Bushaltestellen, Pilze, Rohbauten begleiten zwar den Alltag, wie spezifisch sie für eine Region tatsächlich sind, erweist sich erst, wenn sie einmal fehlen werden. Manches ist – jenseits des Themas – sehr schön und ästhetisch überzeugend in die eigene Formensprache gebracht, wie zum Beispiel Benito Barayas' Graffiti und seine Nachtaufnahmen von Unterführungen. An Arbeiten wie „Fieldworks“ (Anne Müchler/ Nico Schmitz) oder genau komponierte Konstruktionen von Tania Reinike oder Nikolaus Wollnik lässt sich studieren, wie künstlerische Fotografie nicht vom vorgefundenen Material abhängig ist, sondern völlig emanzipiert vom Gegenstand das Detail in neue Kontexte versetzt. Das erscheint wie eine dezidiert künstlerische Antwort auf den von allen geforderten Lernprozess, verbrauchte Landschaft neu zu interpretieren und zu gestalten.
Arbeitsplätze, die im Rahmen der „Bridges Sammlung“ aufgenommen wurden, vermitteln bis auf wenige Ausnahmen zumindest auf den Fotografien eine wenig heroische, dafür aber vertrauensbildende Arbeitswelt: Gerald von Foris' Männer, allein oder maximal zu dritt stehen unaufgeregt neben ihren Arbeitsmitteln. Gerade für eine kurze Pause verlassene Arbeitsplätze in nüchternen Technikräumen, manchmal noch mit zurückgelassenen Spuren von kleinen Habseligkeiten des täglichen Bedarfs interessieren Mark Hermenau. Nächtliche Aufnahmen von technischen Anlagen von Jeromé Gerulls machen sich die Geborgenheit der Nacht zunutze für ein beruhigendes Bild funktionierender Infrastruktur. „Vortrieb“ (Christian Diehl) indes lässt den Tunnelbau auch als Arbeitsplatz erscheinen, der neben dem faszinierenden Aufbruch ins Innere der Erde Schmutz und Enge bietet. Und Frank Schultzes Dokumentation zum Phönix See zeigt dann doch wieder heroisches Schaffen: die faszinierende Umgestaltung einer Landschaft mit zeichenhaft in die Abendsonne ragenden Baggern und Greifarmen, die an Ungetüme in archaischem Terrain erinnern.
Funktional strukturiert bis eintönig ist genutzte Landschaft und wird sie im Bild Gegenstand einer Serie, die Ähnliches an Ähnliches reiht, ist dies besonders frappant: Kanalrohre, Abwasserläufe fügen sich – oft frontal in den Blick genommen, was den Eindruck der Gleichförmigkeit verstärkt, bei Dominik Asbach zum austauschbaren „System Landschaft“.

Wünsche auf Halde

Mit Erinnerungen zu arbeiten, sowohl an vergangene Arbeitswelten als auch an medial verbreitete Landschaftsbilder, ist ein Privileg der Fotografie, das gezielt eingesetzt, zu Irritationen und Spiegelungen führt: „Diffuse Vertrautheit“ (Daniel Müller Jansen) schaffen Ansichten mit einer im Dunst entschwindenden Industrie-Silhouette; Frank Schultze verfolgt in „Ein Gigant auf Reisen“ den Abbau des Thyssen-Krupp-Stahlwerks Phönix durch Chinesen, das in China wieder aufgebaut werden soll. Axel J. Scherer montiert, erst auf den zweiten Blick zu erkennen, Aufnahmen von Menschen des 21. Jahrhunderts in historische Fotografien. Und wie sehr unsere Landschaftsvorstellungen mediale Produkte sind, führt Albert Palowski ironisch vor: Wie ein Kaktus ragt eine Pionierpflanze auf kargem Untergrund, man ergeht sich in Freizeitaktivitäten, begegnet aufgeräumter Häuschenidylle und gar amerikanischer Flagge und Cadillac („I had a dream“). Klein-Amerika in der zum Park gewordenen Ruhrmetropole oder soll es lieber wie in einer weiteren ironischen Serie des Fotografen ein „Haus am See“ sein? Wollen wir das tatsächlich noch? Oder ziehen wir heute doch eher das Bastelwerk der Migrantengärten (Tomas Myzek) oder der einheimischen Höfe (Wolfgang Fröhling) vor und kühne, an vorgefundene Strukturen anknüpfende Weiterbauten von Hauseigentümern (Stefan Becker/Christine Steiner), wenn wir uns „woanders und doch zuhause“ fühlen wollen, wie Bettine Steinacker es angesichts der „Emscherberge“ formuliert? Steinacker hat sie so fotografiert, dass man sich zu fragen beginnt, ob man sie anders sehen würde, wenn sie woanders zu liegen gekommen wären. Oder sind wir mit Vladimir Wegeners Blick auf die künstlich angelegten Fluss-Landschaften im Hier und Jetzt angekommen und akzeptieren das funktionsfähige, postindustrielle UFO, ein Baum bestandenes wie vom Himmel gefallenes Inselchen im neu angelegten See (eine Aufnahme von der damals sich im Bau befindlichen Anlage des Phönix See) als unseres? Wir können es aber auch mit Wolfgang Fröhlings Kokshaldenlandschaften im Winter halten, die als schneebedeckte Anschauungstafeln für die Vergänglichkeit menschlicher Tätigkeit eine eigentümlich meditative Bildwirkung entfalten.

Ausblick

Themen und ästhetische Umsetzung der in die Sammlung eingebrachten Werke bilden einen offenen Mikrokosmos ab, der in der regional besonderen Situation durchaus auch Zeitspezifisches weiterführend in den Blick nimmt. Wenn auch manches – aber das ist ein Problem der Form „Serie“ – mehr der gewählten Aufgabenstellung verpflichtet ist als der Wahrnehmung eines situativen Kontextes oder langfristiger Sozialpraktiken. Interessant wären jetzt Langzeitprojekte, die mit großem Atem den Veränderungen nachgehen, welche die neu gestalteten Lebensräume und Arbeitsperspektiven mit den Menschen auf Dauer anstellen. Zum Beispiel: Wie gestaltet sich das Zusammenleben am Phönix See und den angrenzenden Stadtteilen? Vor welchem Hintergrund agieren die Planer und Macher und haben auch sie Lernprozesse durchgemacht? Verhalten sich die Menschen, die hier leben, wie erwartet oder nutzen sie manches doch ganz anders als geplant? Wie werden die Kunstobjekte angenommen? Ist dies anders als bei einem Denkmal, das man im Posieren und mit Kommentaren geneigt ist, zu bespötteln, so man es überhaupt wahrnimmt? Was ist erlaubt, was ist verboten? Was entsteht spontan? Welche neuen Probleme tun sich auf? Und woran denken die Bewohner, wenn sie den Blick nach innen richten und an das denken, was ihren Lebensraum auszeichnet? Überlagern sich dabei neue und alte Bilderwelten?

Autorin: Andrea Gnam, Publizistin und Hochschullehrerin. Mitglied der Deutschen Fotografischen Akademie. In Print und Rundfunk veröffentlichte Arbeiten zur Fotografie (Essays, Ausstellungseröffnungen, Vorträge, Buchbesprechungen) findet man unter http://fotobuch.gnam.info, Publikationen zu anderen Themen auf http://www.andrea-gnam.de

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Foto: "I had a dream" (Ausschnitt) © Albert Palowski, BRIDGES Fotoprojekt

Bernd und Hilla Becher

Die Fotografen Bernd und Hilla Becher haben als bekanntes Künstler-Ehepaar fast 50 Jahre lang zusammen gelebt und gearbeitet. Wichtiger historischer Bezugspunkt ihrer Arbeit war die Entwicklung der bildnerischen Darstellung von Industriebauten im 19. Jahrhundert in der Tradition der dokumentarischen Fotografie. Ihre Arbeitsmethode bestand nicht selten darin, aus einem Einzelbild ein typologisches Tableau zu entwickeln und damit ein vergleichendes Sehen im großen Stil zu ermöglichen. Einem enzyklopädischen Arbeitsansatz folgend stellten sie Bilder vorzugsweise aus der Bergbau- und Stahlindustrie zusammen, die sie aus Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich, Luxemburg und Großbritannien sowie in den USA zusammen trugen.


"Vom Siegerland zum Ruhrgebiet - Hilla Becher I"


FotoTV, ein Web-Fernsehen Rund um das Thema Fotographie, präsentiert Hill Becher im Portrait und Interview:
Hilla und Bernd Becher haben mit dem Oevre ihrer fast 50-jährigen Zusammenarbeit nicht nur die deutsche, sondern auch die internationale Kunstwelt stark geprägt und beeinflusst.
Bernd Becher, ein studierter Kunstmaler, begründete das "Becher Werk" mit zeichnerischen Studien der Metallindustrie seiner Siegerländer Heimat. Zusammen mit seiner Frau Hilla begann er dann, die deutsche Industrielandschaft zu fotografieren, wobei es ihnen maßgeblich darum ging, die Schönheit dieser komplexen Gebäude und deren kulturellen Wert darzustellen.
In diesem Film erzählt Hilla Becher unter anderem über die Anfänge ihrer Zusammenarbeit mit Bernd Becher in Siegerland und Ruhrgebiet, über die bescheidene Schönheit der Siegener Arbeiterbehausungen und darüber wie es gelang, die geschlossene Zeche Zollern II bis heute für die Nachwelt zu erhalten. Zum Film.


Foto: "Drüben kommt der Wind oft von hinten" © Olaf Unverzart, BRIDGES Fotoprojekt

„Das Ruhrgebiet in den Sechziger Jahren“

Der Essener Polizei-Fotograf Horst Lang hat 2009 ein Buch mit dem Titel „Als der Pott noch kochte“ im Verlag Schirmer/Mosel vorgelegt, in dem er den Alltag der Industrielandschaft porträtiert: Der Himmel ist hier voller Kühltürme, Schlote, Qualm und Dampf, die Gebäude und Behausungen liegen im Schatten der Fördertürme, haben verrottende Fassaden oder sind in der Form von Schrebergärten unter dem Wasserturm abgebildet. Natur wird in ihrer bearbeiteten Form, z.B. als Emscher Klärbecken in Bottrop-Welheim, ins Bild gerückt. Der Bildband erzählt die Geschichte und Vergangenheit des Ruhrgebiets und macht damit Transformation und Innovation auf einzigartige Art und Weise sichtbar.
Siehe: Horst Lang: Als der Pott noch kochte. Das Ruhrgebiet in den 60er Jahren. München: Schirmer/Mosel 2009.


Foto: "Inselbewohner II-V" © Brigitte Krämer, BRIDGES Fotoprojekt

Foto: "Westsidefilde" © Sebastian Forkarth, BRIDGES Fotoprojekt

„Das Gebiet“

„Das Gebiet“ widmet sich dem künstlerischen Werk des Fotografen Joachim Schumacher. Es zeigt Fotografien von 1976 bis 1994 aus der Region, die ihren Namen einem Fluss und der prosaisch-sachlichen Ergänzung „Gebiet“ verdankt. Schumacher hat Umbrüche festgehalten, die sich in diesen knapp zwanzig Jahren vollzogen haben - neue Verwaltungsgebäude, Fußgängerzonen, Strommasten und den Wandel des Automobil-Designs, aber auch die sich stetig verändernde Landschaft und die ökologischen Auswirkungen der Kohle- und Stahlindustrie. Es sind traurig schöne Bilder im Stil der „New Topographics", die hier zu sehen sind.
Siehe: Joachim Schumacher: Das Gebiet - Fotografien 1976-94 Dortmund: Kettler 2014

Neben "Das Gebiet" hat Joachim Schumacher eine Reihe weiterer Fotoprojekte rund um das Ruhrgebiet realisiert. Auf seiner Homepage finden sich weitere Galerien und Referenzen.

Foto: "Emscherweg Fahrradcam" © Hendrik Lietmann, BRIDGES Fotoprojekt

Wissenswertes


Foto: "Logo" © BRIDGES Fotoprojekt

BRIDGES Fotoprojekt Emscher Zukunft

Das BRIDGES Fotoprojekt Emscher Zukunft wurde von der Emschergenossenschaft ins Leben gerufen und fordert seit 2006 zur fotografischen Auseinandersetzung mit dem Wandel der Emscher und ihres Umfelds auf. Hier werden auf internationaler Ebene Fotografen in einem (nunmehr zwei-) jährlichen Wett-bewerb angeregt, sich mit dieser Region auseinander zu setzen. Darüber hinaus wird im Rahmen des „Fotoprojekt-Dialogs“ das Thema ‚Fotografie und Landschaft’ weiterentwickelt. Im Verlauf des BRIDGES Fotoprojekt Emscher Zukunft entsteht eine Sammlung von Eindrücken, Impulsen und Positionen, die den Planungs- und Gestaltungsprozess des Emschertals dokumentieren. Sie soll Bürgerinnen und Bürgern, Planenden, Politikerinnen und Politikern sowie Unternehmen zur Verfügung stehen und dazu anregen, den Wandel der Emscherregion durch den Emscher-Umbau aktiv wahrzunehmen und voranzutreiben.


„CHAOS/CONTROL – Besetzt den Raum!“

Aktuell läuft das Projekt „CHAOS/CONTROL – Besetzt den Raum!“ und auch wenn der Einsendeschluss bereits vergangen ist, so steht die offizielle Ausstellung und Prämierung noch an. Und wie in den vergangenen Jahren haben nicht nur Fotografinnen und Fotografen aus der Region das Thema aufgegriffen und in spannende Bildserien übersetzt. Auch aus anderen Bundesländern wurden fotografische Arbeiten eingereicht. Alle Serien werden nun gesichtet und für die anonyme Präsentation vorbereitet. Am 29. Januar 2015 entscheidet die Jury dann über die Aufnahme in die Sammlung. Die Bekanntgabe der Preisträger erfolgt zeitnah nach der Jurysitzung.
Die prämierten Arbeiten werden wieder in einer Ausstellung präsentiert, in deren Rahmen auch die feierliche Preisverleihung erfolgt.


Hintergrund-Informationen

Das BRIDGES Fotoprojekt Emscher Zukunft hat zwei Säulen: den 2-jährlichen Fotopreis und den Fotoprojekt-Dialog. Mit dem Wettbewerb werden Fotografen angesprochen, die sich mit Bildserien zu einem vorgegebenen Thema an der Sammlung beteiligen wollen. Der Projekt-Dialog ist eine interdisziplinäre Plattform für den Austausch zwischen Bürgern, Planenden, Politikern, Unternehmen und Künstlern. Die Sammlung wird am Ende des Emscher-Umbaus im Jahr 2020 eine zweite Landschaft zeigen, eine, die aus Erinnerungen, Visionen, Wünschen – aus Sichtbarem und Unsichtbarem besteht.


Foto: "Zwischenstadt Ruhrgebiet" © Frederike Wetzels, Pixelprojekt Ruhrgebiet

Pixelprojekt Ruhrgebiet

Das Pixelprojekt Ruhrgebiet ist eine Internet-Dokumentation von Fotoserien zu den Themen ‚Menschen / Soziales’, ‚Landschaft / Ökologie’, ‚Stadt / Archi-tektur’, ’Kunst / Kultur’, ‚Arbeit / Produktion’ und ‚Sport’, das sich als „regionales Gedächtnis“ begreift. Es wurde gegründet von freien Fotografen, die in der Region gearbeitet haben und kooperiert u.a. mit dem Ruhrlandmuseum Essen und dem Deutschen Werkbund. Über Neuaufnahmen in die digitale Sammlung befindet eine Jury, die jährlich zusammen kommt, über die Einreichungen berät und ausgewählte Einreichungen im Rahmen einer anschließenden Ausstellung präsentiert


Digitale Sammlung fotografischer Positionen als regionales Gedächtnis - ein Projekt der freien Fotografinnen und Fotografen.

Das Ruhrgebiet ist eine Region mit einer einzigartigen Fotoszene: durch die renommierten Designhochschulen in Essen und Dortmund, die Nähe zu den Fachhochschulen Bielefeld und Münster und zu den Akademien in Düsseldorf und Münster, sowie durch die dichte Museumslandschaft, in der Fotografie eine zunehmende Rolle spielt.
Zudem ist das Ruhrgebiet eine Region, die mit all ihren Widersprüchlichkeiten und Brüchen schon immer nicht nur ortsansässige Fotografinnen und Fotografen gereizt hat, sich in freien Projekten und Auftragsarbeiten mit einzelnen Aspekten der sichtbaren Wirklichkeit auseinanderzusetzen.
Doch wo sind diese Arbeiten, entstanden als engagierte Autorenfotografie?
Einige werden ausgestellt und erhalten mit viel Glück eine Dokumentation in einem Katalog. Wenn die Ausstellung vorbei ist, sind die Bilder verschwunden. Manche erscheinen stark reduziert, oft durch die Auswahl anderer uminterpretiert oder gar fehl gedeutet in Büchern und Zeitschriften. Viele schlummern schlicht in Mappen, Kartons und Schubladen, ohne dass die Öffentlichkeit sie jemals kennenlernen konnte.
Bislang gab es auch keine Möglichkeit, diese Dokumente immer und überall und gleichzeitig sichtbar zu machen. Und erst Recht gab es kein Interesse daran, Fotografien als autonome Interpretationen jenseits von Hochglanzbroschüren, Illustrierten und Magazinen für jeden zugänglich zu machen und damit bildprägend wirken zu lassen.
Pixelprojekt Ruhrgebiet


RuhrBlicke 2010


Das Projekt „Ruhrblicke. Ein Fotografie-Projekt der Sparkassen-Finanzgruppe“ hat national und international bekannte Künstlerinnen und Künstler gebeten, innerhalb eines Jahres ihre Motive im Ruhrgebiet zu suchen. Die Ausstellung wurde im Rahmen der Aktivitäten zur Kulturhauptstadt RUHR.2010, „Kultur durch Wandel – Wandel durch Kultur“ präsentiert und zeigte Sichten auf Vorstadtarchitektur, Natur, Stilleben und Portraits oder auch am Computer überarbeitetes fotografisches Material aus dem Ruhrgebiet, das zwischen 1950 und 2009 entstand.
Ausstellungskatalog: Weski, Thomas/Kramer, Heike (Hg.): Ruhr Blicke /Ruhr Views. Köln: Walther König 2010


Foto: "Brücken im neuen Emschertal" © Thomas Wolf, Pixelprojekt Ruhrgebiet