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Interdisziplinäre Metropolenforschung

Wie der Emscherraum verschiedene Disziplinen zusammenbringt

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Wie kaum ein anderes Forschungsfeld erfordert die Stadt- und Metropolenforschung die Zusammenarbeit verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Für den Forschungsschwerpunkt „Urbane Systeme“ der Universität Duisburg-Essen, der sich die interdisziplinäre Metropolenforschung auf die Fahnen geschrieben hat, ist der Emscherraum ein ideales Forschungsfeld direkt vor der Haustür. Hier lernen auch die Studierenden zweier Studiengänge, wie solche Forschung funktioniert.

Stadt als dynamisches Forschungsfeld

Die Stadt als das größte von Menschen geschaffenen Gebilde ist einerseits mit Recht als die bedeutendste menschliche Kulturleistung beschrieben worden und gewinnt als Lebensraum in vielen Regionen der Welt an Attraktivität; andererseits aber hat die weltweite Urbanisierung global wie lokal gesehen zunehmend problematische Konsequenzen. Mehr als 50% der Weltbevölkerung lebt bereits in Städten – und dieser Anteil wächst rasant. Die Funktionsfähigkeit der Städte, Metropolen und Mega-Cities bestimmt also die Lebensqualität der Mehrzahl aller Menschen. Umgekehrt prägen die Lebensstile der Bewohner und deren Ressourcenverbrauch und Umgang mit ihrer Umwelt die Städte mitsamt ihren Problemen und Chancen. Mit besonderer Dringlichkeit zeigen sich insbesondere in den Metropolen die zentralen Probleme und Herausforderungen heutiger und zukünftiger Gesellschaften – genannt seien hier nur Klimawandel, Energiekrise, zunehmende Mobilitätsbedürfnisse, Wandel der Arbeitsformen mit dem Ende der Industriegesellschaft, Versorgungsunsicherheit durch Rohstoffknappheit, soziale Konfliktpotentiale im Zusammenleben verschiedener Kulturen oder auch die gesundheitlichen Auswirkungen der vielerorts gefährlichen Umweltbedingungen. Städte sind als dynamische und nicht mehr unmittelbar steuerbare Systeme gekennzeichnet durch vielfältige und einander stark wechselseitig beeinflussende technologische, wirtschaftliche, ökologische, gesellschaftliche und kulturelle Anforderungen und Entwicklungen. Dass heutige Städte in vielfältiger Weise nicht nur mit ihrem direkten Umland zusammenhängen, sondern in der globalisierten Welt auch von Entwicklungen in ganz anderen Teilen der Welt beeinflusst werden, macht ein ganzheitliches Verständnis von Städten als „urbane Systeme“ zusätzlich schwierig. Es liegt auf der Hand, dass keine einzelne Forschungsdisziplin dem gerecht werden kann. Für ein Verständnis der dynamischen und komplexen Wechselwirkungen zwischen diesen teilweise konkurrierenden Anforderungen – und damit auch für eine zukunftsfähige Gestaltung urbaner Systeme – ist es vielmehr von entscheidender Bedeutung, die unterschiedlichen Disziplinen und Wissenschaftskulturen zusammenzuführen und deren gemeinsame Forschungsergebnisse in politisch umsetzbare Strategien zur nachhaltigen Gestaltung urbaner Systeme zu übersetzen.

Profilschwerpunkt „Urbane Systeme“

Eine Plattform für diese Forschung bietet der Profilschwerpunkt „Urbane Systeme“ der Universität Duisburg-Essen mit gegenwärtig über 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aller Fakultäten – von der Medizin über die Natur- und Ingenieurwissenschaften, die Wirtschafts-, Gesellschafts- und Bildungswissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Zentrale Themenfelder sind dabei die Bereiche „Infrastruktur“, „Logistik“, „Umwelt“, „Gesundheit“, „Gesellschaft, Bildung und Soziales“ sowie „Kultur“, wobei die verschiedenen Arbeitsgruppen je nach Forschungsfrage in jeweils anderen interdisziplinären Kombinationen zusammenarbeiten. Gerade an den Schnittstellen von Fachgebieten, so das Ergebnis bisheriger Kooperationen, haben sich die spannendsten Forschungsfragen, die produktivsten Forschungsansätze und nicht zuletzt auch die überzeugendsten Resultate ergeben. So zeigen zum Beispiel Projekte zur klimafreundlichen Stadtentwicklung, dass rein technische Lösungen hier allein nicht ausreichend sind. Da pro Jahr nur etwa 1% der Stadt neu gebaut wird, ist die technische Nachrüstung von Gebäuden allein viel zu langsam. Schneller wirken kann hier nur eine Änderung menschlichen Verhaltens – die aber lässt sich nicht verordnen. Deshalb braucht es eine Zusammenarbeit von Stadt-, Mobilitäts- und Energiefachleuten, Gesellschaftswissenschaftlern und Kommunikationsexperten aus Stadtverwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um Klimaschutzziele umzusetzen – z.B. im Projekt „Klima-Initiative Essen – Handeln in einer neuen Klimakultur“ (www.klimawerkstattessen.de). Nun mag die Notwendigkeit solcher Art der Forschung über die Grenzen von Fächern und Fachkulturen hinweg unmittelbar einleuchtend sein, sie stößt jedoch im Forschungsalltag auf erhebliche Herausforderungen: Vielfach sind die Begriffe, die Methoden und Lösungsansätze, ja selbst die Fragestellungen und Projektziele über die Disziplinen hinweg verschieden. Und es macht einen Unterschied, ob man einen Zusammenhang verstehen will, eine Entwicklung möglichst genau vorhersagen oder ein technisches Problem lösen möchte.

Metropolregionen erforschen

Um diese Hindernisse der interdisziplinären Zusammenarbeit zu überwinden, wurde der Profilschwerpunkt „Urbane Systeme“ an der Universität Duisburg-Essen gegründet. Bereits jetzt ist dieses Forschungsnetzwerk eines der fachlich breitesten Stadtforschungszentren weltweit und es soll zu einem international führenden Zentrum der Metropolenforschung ausgebaut werden und zugleich zur weiteren Integration der Hochschule in die Region beitragen. Denn obwohl auch Entwicklungen in anderen Metropolregionen der Welt – in Asien, Afrika, im Nahen Osten oder in Nord- und Lateinamerika – in zahlreichen Forschungskooperationen untersucht werden, bildet die Metropolregion Rhein-Ruhr als einer der größten Ballungsräume Europas mit den hier zu beobachtenden wirtschaftlichen, politischen, sozialen, kulturellen und ökologischen Konsequenzen von Urbanisierungsprozessen und urbanem Strukturwandel ein ideales Forschungsfeld direkt vor der Haustür. Viele der bearbeiteten Projekte haben einen unmittelbaren Bezug zur Metropole Ruhr oder haben diesen Raum als direkten Forschungsgegenstand. Zum Beispiel arbeitet das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „KuLaRuhr – Nachhaltige urbane Kulturlandschaft in der Metropole Ruhr" als ein interdisziplinärer Verbund von Angewandter Zoologie/Hydrobiologie, Siedlungswasser- und Abfallwirtschaft, Umweltmanagement und Controlling, Transportsysteme und Logistik sowie der angewandten Klimatologie der Universität Duisburg-Essen und weiteren Partnern der TU Darmstadt, der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Kassel, der TU Braunschweig sowie von Unternehmen, Verbänden und Kommunen der Region an Strategien zur nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung von Flächen, Wasser und Energie in der Metropole Ruhr. Dabei dient die Metropole Ruhr mit ihrem komplexen Netz aus städtischen und ländlichen Räumen im strukturellen und demographischen Wandel als Modellregion, um einseitige Landnutzungsmuster aufzubrechen, die Kombination zentraler und dezentraler Systeme zu optimieren und energieeffiziente und nachhaltige Strategien der Flächenbewirtschaftung zu erproben.

Forschungsfeld Emscherraum

Als Generationenprojekt, das innerhalb von rund 30 Jahren das Gesicht eines zentralen Bereichs des Ruhrgebiets verändert, ist der Emscher-Umbau zum einen ein großes und wichtiges Ingenieursprojekt. Der Bau von über 400 km unterirdischen Abwasserkanälen und die Renaturierung eines ganzen Flusssystems ist eine gewaltige ingenieurtechnische Herausforderung. Zum zweiten aber ist der Emscher-Umbau auch ein bedeutendes und interessantes Projekt der Stadt- und Regionalentwicklung im Sinne eines „urbanen Systems“. Der Emscherraum illustriert die wesentlichen Merkmale eines komplexen „urbanen Systems“: Vielfältige parallele wie zeitversetzte Entwicklungen, die sich zudem in zum Teil kaum vorhersehbarer Weise wechselseitig beeinflussen, eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure mit zum Teil parallelen, zum Teil konkurrierenden Interessen sowie der Bezug zu einer Region, die ebenso einzigartig wie repräsentativ ist: Die Metropole Ruhr bildet aufgrund ihrer städtebaulichen und funktionalen Vorprägungen durch die Industriegeschichte, durch ihre begonnenen Neuorientierungen im Strukturwandel hin zur postindustriellen Gesellschaft und mit ihrer sozialen, wirtschaftlichen, baulichen und räumlichen Komplexität eine einzigartige polyzentrische Struktur ohne die eine klar dominante Stadt. Dieser Raum repräsentiert die zentralen Herausforderungen der Gegenwart und nahen Zukunft, etwa den Klimawandel, den nötigen wirtschaftlichen Strukturwandel und den laufenden demografischen Wandel. Wie bei allen „urbanen Systemen“ erhöht sich auch im Emscher-Raum die Komplexität von Entwicklung durch die grundsätzliche Offenheit und Verflochtenheit dieses Systems. So ist die Emscher-Region durch den Austausch von Menschen, Waren, Kapital, Energie, Abfällen und durch eine Vielzahl weiterer Aktivitäten mit ihrem näheren wie auch weiteren Umfeld verbunden. Auch wird sie von wirtschaftlichen Entwicklungen des Bundeslands, der Republik und anderen Teilen der Welt beeinflusst – schon der Niedergang der Kohle- und Stahlproduktion in der Region ist nur als Folge einer globalisierten Wirtschaft verstehbar. Das Generationenprojekt Emscher-Umbau ist damit für den Profilschwerpunkt „Urbane Systeme“ eine ideale Modellregion zur Weiterentwicklung und Erprobung umfassender Forschungsansätze zur „systemischen“ Erforschung von Metropolregionen. Dazu ist die Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenenen Disziplinen erforderlich, zum Teil in Fach-Konstellationen, wie sie bislang kaum je zusammen gearbeitet haben. So ist es zwar in vielen Fällen naheliegend und erprobt, dass Ingenieure, Chemiker und Biologen zusammenarbeiten, wenn es um die Umgestaltung eines Gewässers geht. Für die am Beispiel des Emscherraums beginnende Zusammenarbeit von Ingenieuren, Stadtplanern, Sozialwissenschaftlern, Epidemiologen, Modellierungsfachleuten, Geografen und Kulturwissenschaftlern in einem Projekt gibt es dagegen weltweit kaum Erfahrungen. Auch werden regionale und städtische Entwicklungsprozesse bislang fast ausschließlich in disziplinären und sektoralen Einzelstudien erforscht; es fehlen inter- und transdisziplinäre Ansätze, die den zunehmend komplexen Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Bereichen – Wirtschaft, Ökologie, Gesellschaft, Kultur, Gesundheit, Städtebau, Mobilität etc. – gerecht werden, indem sie diese im Gesamtsystem untersuchen. Da es hier nicht ausreicht, die Ergebnisse disziplinärer Forschung einfach zusammenzustellen, sind für diese Forschung – ganz abgesehen von der Schwierigkeit, Fördermittel für solche in kein Antragsraster passenden Projekte zu akquirieren – erst einmal gemeinsame Begrifflichkeiten und Methoden zu entwickeln.

Studierende erforschen den Emscherumbau

Längst wird für strategische Stadtentwicklungsplanungen, für urbane Großprojekte und ähnliche großformatig und vielschichtig angelegte urbane Planungs- und Entwicklungsinitiativen eine neue Art urbaner Expertise verlangt. Die neuen Expertinnen und Experten müssen in der Lage sein, komplexe urbane Zusammenhänge zu verstehen, sachgerechte Entscheidungen zu treffen und deren Umsetzung kompetent zu begleiten, indem sie etwa interdisziplinär besetzte Projektteams leiten können. Um auf den von Praxisvertretern immer wieder artikulierten Bedarf an umfassend ausgebildeten Expertinnen und Experten für das komplexe Verständnis und die multiple Steuerung urbaner Entwicklungen zu reagieren, hat der Profilschwerpunkt „Urbane Systeme“ zum WS 2011/2012 zwei interdisziplinäre Master-Studiengänge eingeführt: Der eher technologieorientierte Studiengang „Sustainable Urban Technologies/Nachhaltige urbane Technologien“ und der kultur-, gesellschafts- und bildungswissenschaftliche Studiengang „Urban Culture, Society and Space/Urbane Kultur, Gesellschaft und Raum“ sind über gemeinsame Lehrveranstaltungen und Module sowie durch gemeinsame Praxisprojekte vernetzt. Das Studienprogramm bietet für die Absolventen verschiedener Bachelor-Studiengänge eine fachlich breite wissenschaftliche wie praxisnahe Ausbildung, welche die Absolventinnen und Absolventen für Aufgaben in Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Verwaltung qualifiziert. Durch die Doppelgleisigkeit von fachlicher Vertiefung einerseits und interdisziplinärer Überschreitung und gegenseitiger Öffnung beider Studiengänge andererseits soll ein ausgewogenes Verhältnis von Spezialisierung und Generalisierung erreicht werden. Dieses Profil ist für die Arbeit an Projekten der Forschung zu „urbanen Systemen“ besonders sinnvoll und nötig. Zentraler Bestandteil beider Studiengänge ist ein gemeinsames Forschungsseminar, das in jedem Sommersemester angeboten wird. Dort bearbeiten fachlich gemischte Gruppen von Studierenden in Form von „Community-based Research“ (CBR) zum Thema „Healthy City/Gesunde Stadt“ Fragen und Themen der gesundheitsfördernden Stadtentwicklung. Auch hier bietet sich der Emscher-Raum als Untersuchungsgegenstand an. Aufgrund seiner kleinteiligen, differenzierten räumlichen Struktur können Wirkungszusammenhänge von Umwelt, Lebenswelten und Gesundheit vielfältig untersucht werden. Angeleitet von Lehrenden u.a. der Bereiche Stadtplanung/Städtebau, Epidemiologie/Gesundheitswissenschaft, Sozialraumforschung, Bildungswissenschaften, Kulturwissenschaft und Mobilitätsforschung, untersuchen die Studierenden in Kleingruppen ausgewählte Räume in der Emscherzone und kombinieren dabei Methoden verschiedener Disziplinen und sammeln Daten aus unterschiedlichen Quellen. Die Zusammenführung von Grünflächenkartierungen mit Daten zur Lärm- und Feinstaubbelastung, zur baulichen Umgebung, zur sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung, zu Bewegungsmustern und zum Freizeitverhalten der Anwohner sowie mit Gesundheitsdaten ermöglicht eine präzise Beschreibung der Situation vor Ort und hilft dabei, Einsichten und Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Auswirkungen städtischer Gegebenheiten und Entwicklungen zu gewinnen. Eine Fortsetzung dieser Lehrforschungsprojekte durch nachfolgende Studierenden-Jahrgänge wäre darüber hinaus sogar geeignet, ausgewählte Aspekte der Gesunden Stadt im Längsschnitt zu dokumentieren. Durch konkrete eigene Projekte dieser Art erhalten die Studierenden realistische Einblicke in aktuelle Forschungen. Sie erproben methodische Fähigkeiten, wenden theoretische Kenntnisse praktisch an und sammeln Erfahrungen mit interdisziplinär und interkulturell zusammengesetzten Arbeitsteams und im Projektmanagement. Im Idealfall gelingt in diesen Projekten die Verbindung von Studium und konkreter gesellschaftlicher Gestaltung. Dies wirkt sich nicht nur positiv auf die Motivation vieler Studierenden aus, sondern ist auch eine gute Vorbereitung auf zukünftige berufliche Tätigkeiten. Denn die Arbeitsfelder und Problembereiche der Zukunft, das macht die Beschäftigung mit „urbanen Systemen“ kontinuierlich deutlich, müssen durch interdisziplinär und interkulturell besetzte Teams bearbeitet werden, in denen die Moderation und Mediation von Konflikten, die bei dieser Art von Zusammenarbeit unvermeidbar sind, zum Alltag gehören.

Autor: Jens Martin Gurr ist Professor für Britische und Anglophone Literatur und Kultur an der Universität Duisburg-Essen. Er ist dort auch Sprecher des Profilschwerpunkts "Urbane Systeme" und hat zahlreiche Publikationen zur Stadt- und Metropolenforschung vorgelegt.

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Zukunftsvision der Smart City. Foto: Worklife Siemens (CC)

Literatur und weiterführende Links

· Jens Martin Gurr: „‚Urbane Systeme‘, die Geisteswissenschaften und die Metropole Ruhr“. UNIKATE 38. Essen, 2010. 8-17.
· Frank Eckardt: Die komplexe Stadt: Orientierungen im urbanen Labyrinth. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2009.
· J. Alexander Schmidt/Christian Walloth: „Die Stadt als komplexes System: Urbane Anpassungsfähigkeit und Resilience“. RaumPlanung 164 (5/2012): 14-18.


Bücherwände. Foto: Anne Hellmond (CC)

Wachsen und Schrumpfen

Urbane Systeme entwickeln sich weltweit gegenläufig: Insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern wachsen Städte um bis zu einer halben Million Menschen pro Jahr, aber in Nordamerika und Europa ist auch eine Schrumpfung von Städten zu beobachten: Während etwa die Stadt Essen Anfang der 1960er Jahre noch ca. 730.00 Einwohner hatte, sind es heute nur noch gut 570.000, eine Schrumpfung um immerhin etwa 20%. Weit drastischer noch fiel die Einwohnerzahl einiger nordamerikanischer Industriestädte: So verlor etwa Detroit zwischen 1950 und 2009 mehr als die Hälfte seiner ehemals fast zwei Millionen Einwohner.

Nachhaltige urbane Kulturlandschaft

Das Verbundvorhaben KuLaRuhr zielt darauf, die drei Themen Fläche, Wasser und Energie für die nachhaltige Entwicklung der Region systematisch zu entfalten. Dazu werden Städtebau und Landschaftsplanung bei Umnutzungen untersucht (Cluster I), der nachhaltige Umgang mit Wasser und Energie aus technischer, planerischer, ökologischer und rechtlicher Sicht anhand von Einzelfall-Analysen untersucht (Cluster II) sowie umgenutzte Flächen einer Bewertung unterzogen (Cluster III) und eine Verbundkoordination von Datenhaltung sowie Kommunikation und Außendarstellung realisiert (Cluster IV). Siehe kularruhr.de


Urbanes Wachstum. Foto: Jon Bowen (CC)

Klimaforschung - Klimakarte. Foto: Ben Laken (CC)

Klimawerkstätten

Die Folgen des Klimawandels zeigen sich überall in Form von Sturmgewittern und extremen Unwettern, die zu Überschwemmungen und Schäden führen. Um die Auswirkungen der weltweiten Erderwärmung zu begrenzen, muss vor allem der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) gesenkt werden. Anfang 2008 hat der Rat der Stadt Essen ein umfassendes Handlungskonzept in Auftrag gegeben. Unter Beteiligung zahlreicher Experten der Verwaltung und der Stadttöchter wurde das "Integrierte Energie- und Klimakonzept Stadt Essen: Unsere Stadt. Unser Klima.“ (IEKK) erarbeitet und im März 2009 einstimmig vom Rat der Stadt Essen beschlossen. Es beinhaltet klassische Klimaschutzmaßnahmen, die auf eine Minderung der CO2-Emissionen abzielen, sowie Anpassungsmaßnahmen an die gegenwärtigen und künftigen negativen Folgen des Klimawandels. Das Konzept beschreibt insgesamt 160 Maßnahmen, um den Stromverbrauch und CO2-Ausstoß in der Stadt zu senken. Auf dem Programm für 2009 bis 2013 stehen u.a. Modernisierungen im Gebäude-Bestand, Photovoltaik-1000-Dächer-Programm, klimafreundliches Verkehrsmanagement, energieeffiziente Wirtschaft und die Förderung des Radverkehrs ( www.klimawerkstattessen.de ).

Der Emscherumbau

Die Emscherregion wandelt ihr Gesicht. Vor mehr als hundert Jahren wurde aus einer dünn besiedelten Auenlandschaft ein industrieller Ballungsraum, aus der ungebändigten Emscher ein von Menschen geformtes System offener Abwasserläufe. Mit dem Rückgang des Bergbaus hat ein weiterer Strukturwandel begonnen, bei dem die traditionelle Schwerindustrie Dienstleistung und Hochtechnologie weicht. Auch diese Entwicklungen spiegeln sich in einer veränderten Emscher wider. Das Abwasser wird zukünftig in geschlossenen Kanälen abgeleitet, der Fluss und seine Nebenläufe werden Schritt für Schritt in naturnahe Gewässer umgebaut. Der Umbau eines so großen Fluss-Systems ist ein Generationenprojekt, bei dem es um erheblich mehr als die Verwandlung ehemaliger Meideräume in attraktive Erholungsgebiete geht. Ziel ist die entscheidende Aufwertung des Standorts Emscherregion durch Projekte weit über den Gewässerlauf hinaus. Mit dem Masterplan „Emscher-Zukunft“ haben wir eine Planung vorgelegt, die im kontinuierlichen Dialog mit Anliegerstädten und Kreisen, der Wirtschaft, den zuständigen Behörden sowie vielen weiteren Organisationen und Institutionen entwickelt wurde. Der Emscher-Umbau bietet uns die Jahrhundertchance, einen ungeliebten Fluss wieder zum Leben zu erwecken und gleichzeitig der gesamten Region zwischen Holzwickede und Dinslaken ein neues Gesicht zu geben.

Energetische Modernisierung: Photovoltaik. Foto: Windwärts Energie GmbH (CC)

Wissenswertes


Lernort Hörsaaltreppe. Foto: Sven Seiler (CC)

Multi-, inter- und transdisziplinär

Was steckt hinter diesen Schlagworten? Bei multidisziplinärer Forschung werden die Ergebnisse disziplinärer Einzelforschung lediglich nebeneinandergestellt, ohne dass sich die Disziplinen in ihren Fragestellungen oder Methoden gegenseitig beeinflussen. In interdisziplinären Arbeiten werden Methoden und Ansätze aus anderen Disziplinen übernommen, die Grenzen der beteiligten Disziplinen bleiben dabei aber als solche erhalten. Transdisziplinarität hingegen meint, dass Forschung sich aus ihren fachlichen, disziplinären Grenzen löst, um gesellschaftliche Entwicklungen und Probleme disziplin- und fachunabhängig anzugehen und zu lösen.

Community-Based Research (CBR)

Als Community-Based Research (wörtlich: gemeinwesenorientierte Forschung) wird Forschung bezeichnet, in der aktuelle, für die (regionale) Gesellschaft relevante Fragen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen regionalen Akteuren bearbeitet werden. In CBR-Projekten in der Lehre untersuchen Studierende im Rahmen von Seminaren in eigenen kleinen Forschungsprojekten regional dringliche und aktuelle Fragen und Probleme.
Siehe www.uni-aktiv.org/regio-elf .

Wissenschaftliche Kooperationen

Wissenschaftliche Kooperationen gehen den beteiligten Fachbereichen oder Universitäten nicht immer leicht von der Hand. Als Beispiel dafür kann die Entstehung der Universität Duisburg-Essen gelten. Diese wurde am 1. Januar 2003 durch eine Fusion der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg und der Universität-Gesamthochschule Essen gegründet. Sie gehört mit rund 39.000 Studenten aus 130 Nationen zu den – nach Studentenzahlen – zehn größten deutschen Universitäten. Sie verfügt über ein breites, international ausgerichtetes Fächerspektrum. Die von der nordrhein-westfälischen Landesregierung initiierte Fusion der beiden zuvor eigenständigen Hochschulen war an beiden Standorten äußerst umstritten. Nachdem die Gremien beider Hochschulen die Fusion abgelehnt hatten, wurde diese schließlich am 18. Dezember 2002 vom NRW-Landtag per Gesetz beschlossen. Im Anschluss wurde intensiv um die Aufteilung der Fächer auf die einzelnen Standorte gerungen. Im März 2007 wurde von den drei Universitäten Dortmund, Bochum sowie Duisburg-Essen die Universitätsallianz Metropole Ruhr (UAMR) gegründet. Diese soll die Kooperation der Lehr- und Forschungsaktivitäten der beteiligten Universitäten stärken und den Universitäten eine bessere Ausgangsposition als exzellentem Standort in der nationalen und internationalen Wissenschafts- und Studienlandschaft geben.


Urbane Visionen. Foto: Cameron Grant (CC)

„Smart Cities“

Das Forschungsfeld „Smart Cities“ zielt auf die intelligente Vernetzung von städtischen Mobilitäts-, Energie- und Kommunikationssystemen. Dabei, so zeigt sich, sind rein technische Lösungen, die die Gewohnheiten, Bedürfnisse und Befürchtungen möglicher Nutzergruppen nicht einbeziehen, nicht ausreichend und stoßen auf Akzeptanzprobleme. Auch hier ist die Zusammenarbeit über Disziplinen hinweg notwendig.
Die „Smarte Stadt“ („Smart Cities“ lassen sich nicht als „intelligente Städte“ übersetzten, da dieser Begriff schon für ein Vorläuferkonzept belegt ist) wird in sechs Dimensionen bemessen: die „Smartheit“ in Ökonomie, Mobilität, Umwelt, Menschen, Lebensstil und Regierung. Eine Stadt gilt dann als smart, wenn ihre Investitionen in das menschliche und soziale Kapital, den Transport und die Kommunikationsinfrastruktur eine nachhaltige ökonomische Entwicklung befördern und durch ein kluges Management der natürlichen Ressourcen einen hohen Lebensstandard gewähren. Ab welchem Punkt eine Stadt den Begriff der „Smart City“ für sich und die eigenen Imagepflege benutzen darf, ist noch relativ unscharf bemessen. Ein Kriterium in der Infrastrukturentwicklung ist der Wachstumsfokus auf High-Tech und Kreativwirtschaft. Die Entwicklungsstrategien basieren auf einer Förderung des lokalen Wettbewerbs, einer wirtschaftsgesteuerten urbanen Entwicklung. Eine „Smart City“ muss zudem deutliche Ansätze hin zu einer nachhaltigen Sozial- und Umweltpolitik zeigen und die drahtlose Vernetzung und Zugänglichkeit von Informationen durch offene WLANs und Informationstransparenz vorantreiben.

Stadtentwicklung

Als Stadtentwicklung bezeichnet man die räumliche, historische sowie strukturelle Gesamtentwicklung einer Stadt. Eine zielgerichtete Stadtentwicklung gab es bereits im Altertum. So zeigen die Städte der Indus-Kultur wie Harappa bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. eine geordnete Struktur mit schachbrettartig angeordneten Straßen. Im Laufe des Mittelalters entstand ein regelrechter Städteboom. Im Zeitraum der Frühen Neuzeit stagnierte die Zahl der Neugründungen von Städten. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges setzte eine erneute Urbanisierung ein, da in den Städten wegen des Wirtschaftswunders bessere Lebensqualität zu erwarten war. Zwischen 1960 und 1970 begann die Abwanderung (Suburbanisierung) ins Umland. Bedingt durch die höhere Mobilität, besser Infrastruktur und größerem Platzanspruch des Mittelstandes. Heute herrschen Verdichtungsräume mit engen Verflechtungen und aufwendig erschlossenen Peripherien vor, die mit der Kernstadt durch hohe infrastrukturelle Investitionen verbunden wurden. Die nun gewachsenen Umlandgemeinden halten einen hohen Anteil an Pendlern sowie Belastungen an Verkehr. Mit dem peripheren Wachstum sind außerdem die Probleme der Kernstädte in Bezug auf Steuereinnahmeverluste entstanden.


Erfolgreiche Smart Cities nach Einstufung der Europäischen Kommission. Foto: Riehl (CC)