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Kinder im Museum

Über das Wechselspiel von Display und Aneignung

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Da Museen nicht nur unterhalten wollen, sondern auch einen Bildungsauftrag haben, realisieren sie inzwischen eine große Bandbreite verschiedener Angebote speziell für die nachwachsende Generation: Viele Museen bieten Kinderführungen und Kinderabteilungen an. Außerdem gibt es Science Centers und Kindermuseen, die sich gezielt an ein junges Publikum richten. Was aber machen Kinder dort eigentlich? Oder etwas genauer: Wie interagieren Kinder mit den Lernangeboten? Inwiefern spielen Herkunft und Geschlecht eine Rolle? Wie stehen explizite und implizite Wissensformen zueinander? Auf welche Art und Weise wird im Museum gelernt?

Gleichheitsfiktionen und die Thematisierung von Unterschieden

Bildungs- und Unterhaltungseinrichtungen gehen zumeist von einem Ideal der Gleichheit aus. Allerdings wird immer wieder festgestellt, dass sich soziale und kulturelle Unterschiede fortschreiben. Neben dem Geschlecht ist in Deutschland und Österreich das Herkunftsmilieu entscheidend für Bildungskarrieren und die Unterschiede im Lernverhalten von Mädchen und Jungen sind breit dokumentiert. Zudem werden die Unterschiede auch von den Kindern selbst hervorgebracht und von ihnen thematisiert und spielen auch im Museum eine Rolle – beim privaten Museumsbesuch mit der Familie wie auch bei Museumsbesuchen, die von der Schule organisiert sind.
Wir haben es derzeit in vielen Museen, und insbesondere dann, wenn sie Angebote für Kinder lancieren, mit einem Paradigma von Lernen zu tun, das sich selbst als offen und inklusiv versteht. Die Angebote gehen von einer Gleichheitsfiktion unter Kindern aus. Sie werden als lernwillige Abenteurer_innen adressiert, getrieben von einer natürlichen Neugier, der das museale Angebot entgegenkommen soll. Schon oberflächliche Beobachtungen machen aber deutlich, dass diese Annahme nicht zwingend zu mehr Gleichheit beim Lernen führt: Offene, selbstgesteuerte Lernprozesse sind insbesondere für Kinder attraktiv, die solche Lernformen aus der Schule und aus ihrem (liberal-bürgerlichen) Elternhaus kennen, während weniger privilegierte Kinder, oder solche mit migrantischer Biografie, von der Offenheit der musealen Situation manchmal geradezu eingeschüchtert werden.
Neutralität gibt es in der symbolischen, artifiziellen Umgebung ‚Museum’ nicht.
Es lohnt sich deshalb zu beobachten, wie Kinder mit Displays und Objekten umgehen; wie sie sich das, was ihnen präsentiert wird, aneignen; wie sie darüber sprechen. Besonders interessant sind jene Momente, wo Geschlecht oder Herkunft explizit zum Thema wird, von den Kindern oder den Vermittler_innen ins Spiel gebracht wird.

(Dis)playing: Das Museum herzeigen

Wenn man beobachtet, wie Kinder mit den Objekten einer Ausstellung oder eines Museums umgehen, dann zeigt sich, dass Kinder sich nicht selten neue Bedeutungen erspielen oder die vielen verschiedenen Bedeutungsschichten in einer Spielstation, in einem Bild, in einem Film, in einem Objekt aufgreifen und damit sichtbar machen. Sie entfalten und veranschaulichen die Möglichkeiten der musealen Objekte – they display. Das (Dis)playing-Konzept antwortet auf eine Reihe von Fragen, die in der Museumsforschung in den letzten Jahren gestellt worden sind. Ein erster Blick in aktuelle Überblickspublikationen zeigt, dass die Museumsforschung in zwei große Bereiche zerfällt:
(1) Studien zu Architektur, Raum und Medien des Museums und
(2) solchen zu Besucher_innen, Lernen und Interaktion.
Die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Ausgestellten und den Besucher_innen liegt zwischen diesen beiden Bereichen und führt zu einer Erweiterung des in der Museologie geläufigen Begriffs des „Displays“ hin zum „Displaying“. Aus der Perspektive des „Displaying“ sind die Displays nicht eine neutrale Schnittstelle zu den Besucher_innen, sondern vielmehr etwas, dessen Bedeutung interaktiv dar- und hergestellt wird. Displaying meint also, dass im Betrachten und Abschreiten einer Ausstellung oder in der Interaktion immer auch etwas gezeigt wird: Eine Interpretation dessen, was die Ausstellungsmacher_innen zeigen. Diese Produktion von Bedeutung ist jedoch nur über Umwege empirisch erschließbar, denn beobachten können wir zunächst nur Verhalten. Wir können feststellen, welche Stationen, Bilder und Experimente welche Besucher_innen anziehen, wie lange ihre Verweildauer ist, wo sich mehr Mädchen und wo sich mehr Buben aufhalten. Wie und was die Kinder sehen und erleben, wie sie es interpretieren, ist schwieriger zu erfassen, lässt sich aber z. B. in Situationen beobachten, in denen sich Kinder mit ihren Freund_innen, Geschwistern, Lehrer_innen oder den Vermittler_innen über das Gesehene und Erlebte austauschen. Und auch die Protokollierung und Analyse mimischer und gestischer Aneignungspraxen sowie Befragungen der Kinder zu ihren Erfahrungen und Interpretationen zeigen das „Displaying“ (Herzeigen) als etwas, das zwischen Ausdruck und Verhalten, zwischen einfachem Reagieren und Interpretation liegt.

Das Museum als Bühne

Das Museum ist ein besonderer Ort des Wissens und der Welterfahrung: Herausgehoben aus dem familiären und schulischen Alltag, aber gewissermaßen an dessen Nabelschnur, bieten szenografisch konzipierte Ausstellungen, aber auch auf körperliches Involvierung abzielende Science Centers richtiggehende ‚Bühnen’ für die Einübung oder die Überschreitung von Selbstbildern. Eine komplexe Kultur kindlicher Wissensaneignung, die zwischen Nachahmung, Mimikry und Fantasie, zwischen Lernen eines Wissenskanons und selbständigem Theoretisieren der Welt changiert, findet hier einen heterotopischen Ort: ein Ort, an dem die Regeln des Alltags gelten, aber auch nicht; an dem der Geltungsbereich sozialer Normen getestet und neu vermessen werden kann.
Dementsprechend hat Lernen im Museum immer etwas Spielerisches. Dies betrifft keineswegs nur Kinder sondern alle Besucher_innen. Und: Gespielt wird nicht nur mit Objekten, sondern auch in Interaktionen.
Die Vielschichtigkeit von Interaktionen und Auslegungen zeigt sich beispielsweise in einem Display einer Ausstellung für Kinder zu Umweltfragen. Es handelte sich dabei um eine Station, in der vermittelt werden sollte, dass der Einkauf lokaler oder regionaler Produkte umweltfreundlicher ist, als solcher, die weite Transportwege zurücklegen. Hierfür wurde eine Supermarktkasse so umgebaut, dass sie beim Scannen von kleinen hölzernen Nahrungsmitteln nicht den Preis, sondern die Anzahl der Transportkilometer anzeigte, die die Kinder sich auf einem Kassenzettel ausgeben lassen konnten. Ergänzt wurde dieses Arrangement durch eine Speisekarten, eine Weltkarte mit symbolischen Menschen- und Tierfiguren, Fotografien von einkaufenden Menschen und einem Plakat mit Comic-Figuren, das über dieser Station hing: Unter der Überschrift „Es ist nicht Wurst was du isst!“ waren kannibalische Szenen abgebildet: Ein Schwein, das im Begriff ist, eine Wurst zu essen, eine Karotte mit einer Baby-Karotte auf dem Teller, ein Fisch mit einem kleinen Fisch, eine Henne mit einem Ei. Ergänzend zum Text der Bildüberschrift lautete der Subtext des Bildes also: Du bist was du isst.
Auf der Station hat sich die folgende Szene abgespielt: Ein Mädchen kommt mit ihrem Korb an die Kasse und die Vermittlerin lobt sie für ihren „guten“ Kauf eines regionalen Produkts, eines Apfels. Überraschenderweise antwortet das Mädchen darauf mit der Angabe ihrer eigenen Herkunft: „Ich komme aus der Türkei“.
Was auf den ersten Blick wie Missverständnis des Mädchens aussieht, ist eine besonders literale Auslegung dessen, was das Plakat sagt: Du bist, was du isst. Der Kurzschluss zwischen Identität (du bist ...) und Produkt (... was du isst) ist. Das Mädchen zeigt hier nicht nur, was dargestellt ist, es verdreht die Bedeutung – in dem Fall auf sich selbst zurück: Sie zeigt uns im Spiel, ein Zerrbild dessen, was die Ausstellung zeigt.

Das Problem der Übersetzung von Bedeutungen

Aber nicht nur die Besucher_innen artikulieren im Spiel Ambivalenzen, auch die Ausstellungsobjekte transportieren eine historisch spezifische Infrastruktur, die bestimmte Aussagen ermöglicht und andere verhindert. Das Display ist nicht einfach Informationsträger, sondern die Möglichkeitsbedingung und technische Infrastruktur dessen, was gewusst werden kann. Die Bedeutung und die Skripte, die in den ausgestellten Dinge und Objekte eingelagert sind und mit denen zumeist eine Handlungsaufforderung verbunden ist, transportiert sich aber nicht geradlinig und linear an den/die Betrachter_in und Nutzer_in. Rezeption und Sinn-Delegation funktioniert nicht als lineare, fehlerfreie Kommunikation, sondern als eine Abfolge von Übersetzungen, die mit jeder neuen Verbindung neues Wissen, neue Akteure und Vergesellschaftungen hervorbringt. In museale Objekte und ihr räumliches Arrangement ist also nicht einfach ein ‚ideologisches’ Aktionsprogramm eingelagert, das von den Besucher_innen ‚ausgelesen’ wird. Die Museumsdinge und die Besucher_innen ergeben ein neues Kollektiv, neue Erkenntnismöglichkeiten und unvorhersehbare Gebrauchsweisen.
Ein Beispiel dafür wäre die Supermarktkasse der oben beschriebenen Kilometerküche: Der größte Kick bestand für einige Kinder gerade darin, die höchste Summe auf ihren Kassenbon zu sehen, reich an Kilometern zu sein. Das kapitalistische Skript der Akkumulation hat, so könnte man sagen, in der Kasse das Öko-Skript durchkreuzt. Die neue Entität Kasse/Vermittler_in/Kind ergibt nicht automatisch „umweltbewusstes“ Handeln, sondern ein Szenario in dem ökologisches und kapitalistisches Handeln in einen Gegensatz treten und bei so manchen Kindern antiökologisches Handeln provozierte.
Bedeutung, Sinn und Nutzung sind als pädagogisch Strategie oder erzieherisches Kalkül nicht planbar, sondern zu einem Ausmaß in die Ausstellungsgegenstände und -medien eingelagert, den auch die Ausstellungsmacher_innen nicht konzeptionell durchdrungen haben können.

Wundern und theoretisieren

An einem weiteren Beispiel lässt sich die Geschlechterdifferenz als Standardthema pädagogischer Debatten veranschaulichen: den unterschiedlichen Technikgebrauch von Mädchen und Buben.
In einer Ausstellung über Farben werden sowohl naturwissenschaftliche als auch historisch-kulturwissenschaftliche Themen behandelt. In einer Abteilung, die ein Zwischending aus Wunderkammer, Labor und Hexenküche war, treffen die Kinder auf die Farbmischstation. Betreten die Kinder diese, treffen sie auf ein Gerät, das für viele rätselhaft ist. „Was kann man da machen?“ fragen sie beim Anblick des Geräts häufig. Kaum ein Kind nähert sich spontan, um es auszuprobieren und ‚frei’ mit ihm zu experimentieren. Die Kinder fordern von den Vermittlerinnen eine Anleitung zur richtigen Handhabung des Objekts ein und/oder orientieren sich am Umgang anderer Kinder mit dem Objekt.
Dieses Hands-On-Objekt erklärt sich nicht von selbst, es wird eingebunden in kommunikative Akte des Erklärens, Vormachens und Nachahmens, der Kritik und Korrektur zwischen den Kindern. Halten sie sich an die Anleitungen, entsteht dadurch die Demonstration eines experimentellen Ablaufs. Diese Demonstration ist mit körperlicher Anstrengung verbunden. Nur durch sehr kräftiges Schütteln, rieseln Farbpartikel aus Fläschchen und färben das Wasser. Gelegentlich verbalisieren die Kinder, wie anstrengend das Einfärben des Wassers ist und klagen über Schmerzen in der Hand. Das Instrument fordert einen kräftigen und kontrollierten Einsatz des Körpers. Die Anstrengung und (Selbst)Disziplin im Umgang mit dem experimentellen Demonstrationsinstrument wird dann mit einem überraschenden Effekt belohnt: Mit vielfarbigen Schlieren und immer neuen Mischfarben.
Da Kinder im Grundschulalter längst kompetent Farben mischen, können wir daraus schließen, dass nicht die Entstehung von Mischfarben faszinierend für sie ist, sondern die Form, in der dies sichtbar wird. Die Kinder lernen hier, dass mentale und körperliche Anstrengung zu erstaunlichen, faszinierenden Ergebnissen führt. Dieser Vorgang ist der Erkenntnisproduktion in den empirischen Naturwissenschaften abgeschaut, wie sie Lorraine Daston und Kathrin Parks beschrieben haben: Die Konzentration auf einen spannenden Gegenstand wurde seit der Entstehung der modernen Naturwissenschaften als mentale Anstrengung in Kombination mit apparativer Beobachtung verstanden. Für den Effekt des Staunens wurde die (Selbst)Disziplinierung in Kauf genommen, ja noch mehr: als heroische Tat des Forschers verklärt.
Gerade die körperliche Anstrengung, die hier mit Erkenntnis verknüpft ist, wird von Mädchen und Buben sehr unterschiedlich bewertet. Mädchen stellen die Unverhältnismäßigkeit zwischen der komplizierten, anstrengenden Ausführung des Experiments und dem dadurch demonstrierten Fakt häufiger in Frage als Buben. Dieses Hinterfragen des Geräts oder der Sinnhaftigkeit des Ausstellungsobjekts haben wir - mit einer Ausnahme - nur bei Mädchen beobachtet. Trotz dieser kritischen Haltung gegenüber dem Instrument, bedienen die Mädchen es aber dennoch meist in sehr disziplinierter Weise. Dies könnte als angepasstes Verhalten gedeutet werden, aber auch als Strategie der Selbstermächtigung, durch die sich Mädchen Kompetenz im Umgang mit technischen Geräten überhaupt einmal aneignen können. Ihre Kritik an der (ihrer Meinung nach schlecht gebauten) Maschine steht dem häufig lust- und fantasievollen Umgang mit der Maschine bei den Buben gegenüber. Die Mädchen kommen damit einer distanziert-kritischen, einer ‚wissenschaftlichen’ Haltung deutlich näher.
Damit zeigen die Mädchen mit ihrem Verhalten nicht einfach auf Geschlechterunterschiede, sondern verweisen zudem auch sehr präzise auf die Vorannahmen eines apparategestützten Wissenschaftsverständnisses mit seinen bevorzugten Verhaltensformen. Sie zeigen (they display) auf die Voraussetzungshaftigkeit von wissenschaftlichen und (museums-)pädagogischen Erkenntnisformen.
Auf solcherart Paradoxien und Dilemmata zu reagieren, sie aktiv zu thematisieren anstatt sie unter Gleichheitsfiktionen zu verstecken, wird eine zentrale Aufgabe für Ausstellungsmacher_innen und Vermittler_innen bleiben.

Autorin: Dr. Karin Harrasser, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Kunsthochschule für Medien Köln. Arbeitsschwerpunkte: Kultur- und Medientheorie, Gender Studies, Populärkultur, Wissensgeschichte der Medien, Vermittlungen von Kunst und Wissenschaft, Subjekttheorien.

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Hong Kong Heritage Museum.
Foto: Tommy Wong (CC)

mondo mio! - Kindermuseum im Westfalenpark

Das Kindermuseum mondo mio! im Dortmunder Westfalenpark lädt seit Mai 2007 auf rund 1.000 Quadratmetern zu einer spannenden Entdeckungsreise durch die verschiedenen Länder der Welt ein. Kinder von 3 bis 12 Jahren können andere Kulturen kennen lernen und mit ihrem eigenen Alltag vergleichen. Anfassen, Mitmachen und Begreifen lautet das Motto. Viele Fragen über das Leben an anderen Orten der Erde werden spielerisch beantwortet. Anschaulich erfahren die Kinder dabei auch etwas über die globalen Zusammenhänge, die die anderen Lebenswelten mit der Unseren verbinden.

www.mondomio.de

Kindermuseen

Wie traditionelle Museen beschäftigen sich Kinder- und Jugendmuseen mit dem Sammeln, Bewahren und Erforschen von Dingen. Das Besondere besteht in der besucherspezifischen Konzeption. Viele Ausstellungen laden, nach dem Prinzip „hands on – please touch!“, mit Spiel- und Experimentierstationen zum Ausprobieren, Forschen und Entdecken ein. In Europa haben sich Kinder- und Jugendmuseen in den 1990er Jahren verstärkt etabliert. Angefangen hat jedoch alles in Amerika: Am 16. Dezember 1899 öffnete William Henry Goodyear, der Direktor der Kunstsammlung des „Central Museum“, die Pforten des weltweit ersten Kindermuseums, des „Brooklyn Children's Museum“ in New York. Bereits 1913 wurde das zweite Kindermuseum, das „Boston Children's Museum“ gegründet, und nur vier Jahre später entstand im US-Bundesstaat Michigan das „Detroit Children's Museum“. Als ältestes Kindermuseum in Deutschland gilt das 1970 gegründete „JuniorMuseum“ im Museum für Völkerkunde in Berlin-Dahlem. Es startete damals mit dem Anliegen, Vorurteile anderen Kulturen gegenüber abzubauen. Als erstes eigenständiges Kindermuseum in Deutschland eröffnete 1991 die „Kinder-Akademie Fulda“.

Bundesverband der Deutschen Kinder- und Jugendmuseen


Das erste Kindermuseum weltweit, das „Brooklyn Children's Museum", existiert bis heute.
Foto: Diane Bondareff (CC)

Wunder und Erkenntnis

Die Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston hat zusammen mit ihrer Kollegin Katharine Park in dem 2001 erschienenen Buch „Wonders and the Order of Nature, 1150-1750“ beschrieben, wie vom Mittelalter bis zur Aufklärung Wunder als Mittel der Erkenntnisproduktion wirkten. So waren Monster, im Dunkeln leuchtende Edelsteine, versteinerte Quellen oder auch Erscheinungen und Visionen nicht nur befremdliche und ängstigende Phänomene, sondern auch Anlässe für Wissenschaftler, einen spezifischen Zugang und einen besonderen Modus der Untersuchungen zu etablieren: Es galt, Erregung, Furcht und Schrecken, die von diesen Phänomenen ausgingen, durch gezielte Beobachtung und rationale Erklärungen zu bändigen. Indem Wunder die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern erregten, forderten sie auch zu deren Durchdringung und Erklärung auf und haben deshalb auf besondere Art und Weise zur Formung und Methodisierung wissenschaftlicher Neugier beigetragen.


Always be curious!
Foto: Conor Keller (CC)

Danuta Karsten erläutert die „Stufen zur Körne“. © Thomas Heiser

Lernen an der Emscher

Mit längerfristig angelegten kunstpädagogischen Projekten tragen Emschergenossenschaft und Lippeverband dazu bei, dass Kinder und Jugendliche sich mit ihrem Lebensumfeld beschäftigen und sich durch eigenes Handeln ganz konkret an dessen Umbau beteiligen. Eines von zahlreichen Beispielen ist das Kunstwerk „Stufen zur Körne“ der Künstlerin Danuta Karsten, das im Zusammenhang mit ÜBER WASSER GEHEN für die Kulturhauptstadt 2010 entstanden ist. Es ging bei dem Projekt u.a. darum, dass die beteiligten Sechst- und Achtklässler der in unmittelbarer Nähe der Körne gelegenen Hauptschule in Dortmund-Husen das Wasser durch ihre eigene künstlerische Arbeit von seiner physischen und chemischen Seite her erleben und begreifen sollten. Durch eigenes Experimentieren wurden im Vorfeld Materialeigenschaften getestet und gemeinsam Wege zur Umsetzung der künstlerischen Ideen gesucht. Dabei war es wichtig, dass die verwendeten Materialien ökologisch unbedenklich sind.

www.ueberwassergehen.de

EmscherKids

EmscherKids ist ein regional verankertes, schulbegleitendes Bildungskonzept, das Lerninhalte attraktiv mit regionalen Bezügen verbindet und Schülerinnen und Schülern ermöglicht, als EmscherKids die Potenziale ihrer Heimat durch einen kreativen Prozess neu zu entdecken und schätzen zu lernen. Mit der Unterrichtsreihe EmscherKids, den darin verankerten Exkursionen, der künstlerischen Anleitung und der weiteren Arbeit in der EmscherKids AG verknüpft das Konzept die praxisnahe Vermittlung von Lerninhalten mit der Möglichkeit der künstlerischen Auseinandersetzung und der Weitergabe des Erlernten und Erlebten an die Mitschüler und Mitschülerinnen.

EmscherKids im EMSCHERplayer

Die EmscherKids Gelsenkirchen im Atelier von Claudia Lüke. Foto: Katja Langer © Emschergenossenschaft

Wissenswertes


Ein kleines Mädchen im Dialog mit der Kunst. Foto: Denver Art Museum
von I. Shrona (CC)

Das Projekt Science with all Senses

Der Beitrag von Karin Harrasser basiert auf den Ergebnissen des Forschungsprojekt Science with all Senses. Gender and Science in the Making, das von 2007-2009 durchgeführt wurde. Die empirische Forschung fand in Kindermuseen und Science Centers in Deutschland und Österreich statt. Das Projekt wurde gefördert vom WWTF (Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds). Neben der Verfasserin gehörten zum Projektteam: Doris Harrasser, Stephanie Kiessling, Sabine Sölkner, Karin Schneider, Veronika Wöhrer (Ko-Leitung). Projekttäger: Science Communications Research (Wien)

research.science.co.at

Display

Unter Display versteht man gemeinhin die Pappkartonagen und Konstruktionen, mittels derer Objekte und Gegenstände z. B. auf Messen oder in Ausstellungsräumen präsentiert werden. Darüber hinaus gibt es seit den 1990er Jahren eine auch theorieorientierte Reflexion und Auseinandersetzung über das Wie und Wozu von „Kulturen der Ausstellung“, welche die Praktiken und Erfahrungen von Museen, Galerien und Festivals thematisiert. Hier wird der Zusammenhang zwischen Ästhetik, Kontexten und impliziten Annahmen über Kunst und Kultur daraufhin befragt, wie sie gemeinsam dafür sorgen, dass die Art der Präsentation sich mit spezifischen Bedeutungen verbindet.

Heterotopien

Der französische Philosoph Michel Foucault hat zwei Typen von Räumen kategorisiert: a) Utopien, also unwirkliche, virtuelle Räume, die entweder Gegenentwürfe oder Perfektionierungen der realen gesellschaftlichen Verhältnisse sind, b) Heterotopien, also tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Räume von Gesellschaft und Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind. Heterotopien haben ein besonderes Verhältnis zur Zeitlichkeit und zur sozialen Ordnung. Sie durchbrechen die lineare Ordnung von Zeit, schaffen neue Orte, an denen ein anderes Zeiterleben stattfindet, und sie etablieren ein System von Öffnungen und Schließungen; ein heterotopischer Platz ist zumeist nicht ohne weiteres zugänglich. Beispielsweise wird der Zugang so geregelt, dass man nur mit einer Erlaubnis und mit der Vollziehung gewisser Gesten eintreten darf. Zugleich gibt es aber auch Heterotopien, die ganz nach Öffnungen aussehen, aber doch Ausschließung bedeuten. Man kann sie betreten, aber ist damit zugleich ausgeschlossen. Beispiele für Heterotopien, die Foucault selbst nennt, sind z.B. Erholungsheime, psychiatrische Kliniken, Gefängnisse, Altersheime, Friedhöfe, Museen, Bibliotheken und Kolonien.

schule@museum

Die Initiative schule@museum ist eine Gemeinschaftsaktion des BDK-Fachverbands für Kunstpädagogik, des Bundesverbands Museumspädagogik, der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, des Deutschen Museumsbundes und der Stiftung Mercator. Zunächst als „offenes Labor“ geführt, testete das Projekt von 2004 bis 2008 durch jährliche Ausschreibungen unterschiedliche Formate auf ihre kreative kulturelle Qualität. Mittlerweile sollen feste Strukturen und Langfristigkeit in der Zusammenarbeit von Schulen und Museen entstehen. Im Rahmen der Ausschreibung "schule@museum - Bildungspartnerschaften gestalten 2009 bis 2011" wählte eine Jury aus fast 150 Bewerbungen 15 Tandems - jeweils eine Schule und ein Museum - als Modellprojekte aus. In Nordrhein-Westfalen bildeten das Mindener Museum für Geschichte, Landes- und Volkskunde und die Hauptschule Minden-Süd ein solches Tandem. Kürzlich wurde die Initiative schule@museum mit dem internationalen CECA Best Practice Award ausgezeichnet. Bei der Auszeichnung handelt sich um den erstmals ausgelobten Preis des Committee for Education and Cultural Action (CECA) des Internationalen Museumsrats ICOM. Mit ihm werden Initiativen kultureller Bildung im Museumsbereich prämiert, die in ihrer Konzeption und Durchführung vorbildlich für andere Projekte sind.

www.schule-museum.de


Children's Gallery im Science Museum London, 1949
Foto: Science Museum London (CC)

Literatur

- Lorraine Daston / Katherine Park (Hrsg.): Wunder und die Ordnung der Natur 1150-1750. Frankfurt am Main 2002


- Michel Foucault: Die Heterotopien. Der utopische Körper: Zwei Radiovorträge. Frankfurt am Main 2005


- Doris Harrasser / Karin Harrasser / Stephanie Kiessling / Karin Schneider / Sabine Sölkner / Veronika Wöhrer: Wissen Spielen: Untersuchungen zur Wissensaneignung von Kindern im Museum. Bielefeld 2011


- Yvonne Leonard (Hrsg.): Kindermuseen. Strategien und Methoden eines aktuellen Museumstyps. Bielefeld 2012


In Kindermuseen gilt üblicherweise die gegenteilige Ansage, nämlich „Hands on!“ Foto: Kevin Chan (CC)