EMSCHERplayer // Magazin // Kommunikation und Partizipation // Vom Geldgeber zum Mitgestalter
Die Zukunftsfähigkeit von Städten und Regionen hängt davon ab, inwiefern es staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren gelingt, aktuelle und zukünftige Herausforderungen – seien sie ökonomischer, ökologischer oder sozialer Art – gemeinsam zu gestalten. Für die Gestaltung des Gemeinwohls ist nicht nur das bürgerschaftliche Engagement von Privatpersonen wichtig, sondern auch das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen. Es bedarf eines regionalen Ansatzes von Corporate Citizenship.
Stadt- und Regionalentwicklung wird u. a. gestaltet im Kontext von globalem Wettbewerb, Klimawandel, wirtschaftlichem Strukturwandel, sozialen Zusammenhalt und demographischem Wandel. Auch sind öffentliche Akteure aus Politik und Verwaltung sowie private Akteure aus der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und die Bürger selbst von diesen komplexen Entwicklungen und ihren weitreichenden Folgen betroffen. Bei der Lösung der damit verbundenen Probleme kann der Staat keine alleinige Rolle einnehmen. Er gelangt in Anbetracht der angespannten finanziellen Haushaltslage sowie der Komplexität der anstehenden Aufgaben an die Grenzen seiner Handlungsmöglichkeiten. Statt dessen ist vermehrt vom Modell des „Gewährleistungsstaats“ die Rede – ein Modell, bei dem der Staat die Leistungen der Daseinsvorsorge und des Gemeinwohls zwar sichert, doch nicht ausschließlich selbst erbringt. Zusätzlich kommt ihm die Aufgabe zu, nichtstaatliche Akteure zu aktivieren und einzubinden, sie zu Mitgestaltern zu machen und mit ihnen zu kooperieren, indem er die jeweiligen Ressourcen und Interessen koordiniert, indem er verhandelt und moderiert. Entsprechend dem „Leitbild der Bürgergesellschaft“ sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, innerhalb derer Partizipation und eine Übernahme von Verantwortung durch Vertreter der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und der Bürger persönlich möglich ist.
Mit Blick auf die Rolle von Unternehmen lässt sich festhalten, dass sie einerseits in der Konstellation von Public-Private-Partnership als Geschäftspartner auftreten und sich andererseits über ihre originäre Geschäftstätigkeit hinaus zunehmend in sozialen, ökologischen und kulturellen Belangen für ihren Standort und die Gesellschaft engagieren.
Der Gedanke des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen ist nicht grundsätzlich neu und lässt sich historisch zurückverfolgen. Insbesondere in Städten, die im Zuge der industriellen Revolution in Deutschland großes Wachstum erfuhren, engagierten sich Geschäftsleute für die Wohn- und Lebensumstände der Belegschaft ihrer Firma, indem sie den Bau von Werkssiedlungen und Krankenhäusern betrieben und Kranken- und Rentenkassen für die Belegschaft einrichteten noch bevor die Sozialgesetze unter Otto von Bismarck erlassen wurden. Damit bestimmten sie nicht nur die Stadtentwicklung maßgeblich mit, sondern setzten auch Akzente für die Sozialpolitik. Darüber hinaus betätigten sie sich als Mäzene zur Förderung von Kunst und Wissenschaft. Letzteres ist auch heute noch üblich, wird jedoch in der Regel nicht in die Öffentlichkeit getragen. Mäzenatentum ist altruistisch motiviert und von Seiten des Förderers wird kein persönlicher Vorteil verfolgt. Im Vordergrund steht der Nutzen des Geförderten. Ebenso hat das Schenken von Finanz- oder Sachmitteln – das Spenden und Stiften – Tradition in Deutschland. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) schätzt das gesamte Spendenvolumen in Deutschland auf etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr. Stiftungsgründungen haben in den letzten 20 Jahren zugenommen und maßgeblich an Bedeutung gewonnen. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen entstanden mehr als 70 Prozent der heute bestehenden rechtsfähigen Stiftungen bürgerschaftlichen Rechts in dieser Zeit. Für die Unternehmen ergibt sich bei diesen Formen des „Corporate Giving“ maximal ein Werbevorteil, ähnlich wie beim Sponsoring. Einfluss auf die Verwendung der Gelder können sie in der Regel nicht nehmen und so entsteht der Mehrwert beim Spenden und Stiften vor allem für den Empfänger der Gabe.
Für die heutige Engagementlandschaft lässt sich eine qualitative Neuerung feststellen. Diese zeigt sich darin, dass Unternehmen zusätzlich zu den klassischen Formen des Spendens und Förderns auf eine Art und Weise aktiv werden, bei der sie nicht nur als Geldgeber, sondern vor allem als Mitgestalter gesellschaftlicher Prozesse fungieren. Sie knüpfen Kontakte zu sozialen Einrichtungen und Organisationen vor Ort, um Partnerschaften einzugehen und gemeinsam kleinere oder größere Projekte umzusetzen. Anstatt Geld zur Umsetzung bestimmter Vorhaben zu spenden, beteiligen sich die Unternehmen, indem die Unternehmer selbst oder die Mitarbeiter Freiwilligenarbeit (Corporate Volunteering) leisten und dabei ihr (Fach)Wissen, Sachmittel, ihre Arbeitskraft und (Arbeits)Zeit zur Verfügung stellen. Im Gegensatz zum Mäzenatentum definiert sich diese Form des Engagements nicht notwendigerweise über eine einzelne Persönlichkeit und ihre privaten Interessen, sondern über das Unternehmen sowie die Werte, für die es steht.
Dieses Engagement, das im Folgenden noch exemplarisch vorgestellt werden soll, ist Ausdruck eines differenzierten Selbstverständnisses der Unternehmen, die ihren Zweck nicht alleinig in der Gewinnerzielung und der Übernahme ökonomischer Verantwortung gegenüber ihren Angestellten, den Eigentümern und dem Staat sehen, sondern gleichermaßen in der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, sprich für soziale, ökologische, kulturelle Belange. Ziel ist es dabei unter anderem, dem Gemeinwohl dienlich zu sein, das gesellschaftliche Umfeld mit zu gestalten oder sogar langfristig zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen beizutragen. Ihr Handeln kann damit als bürgerschaftliches Engagement gewertet werden; die Unternehmen selbst werden zum „aktiven Bürger“, sprich zum „Corporate Citizen“. Ihre Tätigkeiten werden daher auch unter dem Begriff „Corporate Citizenship“ zusammengefasst. Idealerweise sind sie eingebunden in eine Unternehmensphilosophie oder ein -leitbild und damit fester Bestandteil der Geschäftsstrategie.
Nichtsdestotrotz gesellen sich zu philanthropischen und gemeinnützigen Motiven geschäftsstrategische Beweggründe und spielen eine wichtige Rolle. Bezeichnend für Corporate Citizenship-Aktivitäten ist der Nutzenaspekt, der auf eine Win-Win-Situation aller Beteiligten ausgelegt ist. Seitens der Unternehmen besteht vielfach der Anspruch, nicht nur ‚Gutes zu tun’, sondern dabei auch einen gezielten Geschäftsnutzen, z. B. in den Bereichen Personalentwicklung, Weiterbildung, Persönlichkeitsentwicklung, Teamarbeit, soziale Kompetenz, Mitarbeitermotivation oder Mitarbeiterbindung, zu generieren.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wo und wie sich Unternehmen als „Corporate Citizen“ betätigen können. Einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zufolge hat regelmäßiges Engagement sowohl in klein- und mittelständischen Betrieben als auch in Großunternehmen einen festen Platz. Fast Dreiviertel der Aktiven betätigen sich dabei lokal bzw. regional, d. h. im Umfeld des Unternehmenssitzes. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere klein- und mittelständische sowie Familienbetriebe einen ausgeprägten Bezug zu ihrem Standort haben und sich in den Regionen engagieren, wo sie ihre Wurzeln haben, wo ihre Mitarbeiter wohnen und Familien leben oder wo ihr Kundenkreis angesiedelt ist. Die jeweiligen Aktivitäten unterscheiden sich in ihrer Dauer, den eingesetzten Ressourcen, den beteiligten Akteuren und Partnern, ihrer strategischen Ausrichtung, dem Bezug zum Kerngeschäft des Unternehmens und ihrer regionalen Wirksamkeit.
Als besonders nachhaltig und nützlich für alle Seiten erweisen sich diejenigen Engagement-Aktivitäten, denen ein klares Konzept und eine Strategie zugrunde liegen, die langfristige Partnerschaften anstreben. Möglichkeiten des Mitgestaltens von gesellschaftlichen Belangen im Sinne eines „Corporate Citizen“ eröffnen sich für Unternehmen vor allem dort, wo sie ihre gemeinnützigen Tätigkeiten möglichst eng mit ihren betrieblichen Kompetenzen bzw. ihren Geschäftstätigkeiten verbinden und wo sie fachkundige Partner zur Konkretisierung und Umsetzung der eigenen Ideen und Ziele hinzuziehen. Da der Großteil der Unternehmen in der Regel über keine oder nur sporadische Berührungspunkte mit sozialen Einrichtungen verfügt und sehr viel Unwissenheit übereinander vorherrscht, erweist sich die persönliche Kontaktaufnahme oftmals als schwierig. Hier können so genannte Mittlerorganisationen, wie z. B. öffentliche oder halböffentliche Freiwilligenagenturen, Hilfestellung in der Anbahnung der Kontakte leisten.
Mit Blick auf eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung, die dem Leitbild der Bürgergesellschaft folgt und vor allem von der Verantwortungsübernahme, Kooperation und Ressourcenbündelung ihrer Akteure profitiert, bietet das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen große Chancen. Dabei gibt es allerdings auch noch Ausbaupotenzial: Während sich auf lokaler Ebene einzelne Unternehmen bereits einbringen, könnte diese Bereitschaft zum Engagement strategisch zusammengeführt, regional gebündelt und zur Lösung aktueller und zukünftiger Herausforderungen genutzt werden. Als sinnvoll kann es sich erweisen, gezielt gemeinsame Interessen und Berührungspunkte der öffentlichen wie auch nichtöffentlichen Vertreter zu identifizieren und anzugehen. Ziel sollte eine konstruktive Zusammenarbeit auf Augenhöhe sein, der ein gemeinsames Problemverständnis zugrunde liegt, die einen Mehrwert für alle Beteiligten bereithält und einen erkennbaren Beitrag zur Gestaltung gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse leisten kann. Insbesondere für Regionen, die im Wandel und im Umbruch begriffen sind, bieten sich hier Chancen. Es lassen sich so belastbare Netzwerke bilden, die wichtiges Sozialkapital für die Entwicklung der Region darstellen, da ihre Mitglieder in der Summe mehr bewirken können, als es ihnen einzeln möglich wäre.
Entlang der Emscher, wo sich flächenintensive, schwere Großindustrie mit klein- und mittelständischen Betrieben abwechselt, wo ungenutzte, von Produktionsrückständen belastete Brachflächen im Kontrast zu revitalisierten Industrieflächen für postmodernes Arbeiten, Wohnen und Leben stehen und die Bevölkerungsstruktur von starken Unterschieden hinsichtlich Nationalität und Herkunft, sozialem Status, Bildungshintergrund und beruflicher Qualifizierung gekennzeichnet ist, spielen Fragen des sozialen Zusammenhalts und der Stabilisierung geschwächter Quartiere und Stadtteile eine zentrale Rolle. Eine Bündelung des Engagements und der Aktivitäten zur Gestaltung und Entwicklung des Freiraums, zur Integration ausländischer und sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen wie auch im Bereich von Bildung im Allgemeinen und Ausbildung von Jugendlichen im Besonderen wäre hier stärker als bislang nötig und erforderlich. Denn: In gleichem Maße wie diese Region in ihrer industriellen Geschichte durch politische und (privat)wirtschaftliche Entscheidungen des Bergbaus und der Industrie verändert wurde, bedarf es heute gemeinsamer Anstrengungen von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, um den ökologischen, ökonomischen und sozialen Wandel vor Ort zu gestalten. Angesprochen sind sowohl traditionell ansässige als auch neu angesiedelte Unternehmen. Sie könnten im großen oder kleinen Rahmen zahlreiche Maßnahmen, Förderideen und Kooperationen realisieren:
Pro-Bono-Dienstleistungen: Während der regulären Arbeitszeit stellen Mitarbeiter ihre Dienste für gemeinnützige Zwecke kostenlos zur Verfügung. Soziale, kulturelle oder zivile Initiativen mit geringerem Budget profitieren davon. Beispiel: Ein Grafikbüro übernimmt die professionelle Erstellung eines Werbeflyers für das Quartiersfest im benachteiligten Stadtteil.
Bürgerschaftliches Engagement der Mitarbeiter: Angestellte eines Unternehmens, die sich als Privatperson ehrenamtlich engagieren oder ein Projekt initiieren, werden seitens des Arbeitgebers in ihrer Tätigkeit unterstützt. Beispiel: Ein Angestellter ist ehrenamtlich in die Pflege und Instandhaltung eines Bürgerparks eingebunden. Sein Arbeitgeber unterstützt dies, indem er ihn monatlich im Umfang von acht Stunden für diese Aufgabe von der Arbeit freistellt.
Aktionstage / Tag des Ehrenamts: An einem ausgewählten Tag im Jahr engagiert sich die gesamte Belegschaft eines Unternehmens gemeinsam für Initiativen und Projekte vor Ort. Beispiel: Im Rahmen des Betriebsausflugs besuchen die Mitarbeiter ein Jugendzentrum im angrenzenden Quartier. In Kleingruppen streichen sie Räumlichkeiten, warten und installieren EDV-Geräte im Computerraum, helfen bei der Pflege und Gestaltung der Außenanlagen und entwickeln ein Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins.
Patenschaften / Mentoring: Unternehmer oder ihre Angestellten besuchen regelmäßig soziale oder kulturelle Einrichtungen und stehen diesen mit ihrem Sachverstand und ihren Netzwerken als Paten zur Seite. Beispiel: Der Inhaber eines Büros für Wirtschaftsprüfung möchte die Ausbildungsfähigkeit von Schülern verbessern sowie den Übergang von der Schule in den Beruf fördern. Als Wirtschaftspate besucht er regelmäßig eine 8. Klasse der Hauptschule. Im Rahmen der Berufsvorbereitung vermittelt er den Schülern Grundkenntnisse des Finanzwesens, ermöglicht Praktika im Unternehmen und berät die Schulleitung in Managementfragen.
Strategische Partnerschaften: Akteure aus der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Verwaltung initiieren gemeinsam ein Projekt, in dem sie als gleichwertige Partner ein gesellschaftliches Problem bearbeiten. Beispiel: Ein Unternehmen, das sich mit Fragen der Wasserwirtschaft und Ökologie beschäftigt, möchte sich für Umweltbelange einsetzen. Es nimmt Kontakt zum Grünflächenamt und zur lokalen Umweltgruppe auf. Gemeinsam renaturieren sie nach ökologischen Gesichtspunkten einen Bachlauf und richten ein „grünes Klassenzimmer“ ein. Hier bieten Angestellte des Unternehmens mit Aktiven der Umweltgruppe regelmäßig Exkursionen und Ferienfreizeiten zur Umweltbildung an.
Regionale Netzwerke: Mehrere Akteure aus den Bereichen Wirtschaft, Politik / Verwaltung und Zivilgesellschaft entwickeln gemeinsam Ziele und Vorhaben zur zukünftigen Entwicklung ihrer Region. Anstatt sich einzeln und punktuell bürgerschaftlich zu engagieren, gießen sie ihre Aktivitäten in eine übergeordnete Strategie und stimmen sie aufeinander ab. Beispiel: Interessierte Vertreter aus Unternehmen, der Kommune, der IHK und lokaler Schulen erörtern in Workshops das Thema „Fachkräftemangel“ und „Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen“ als zentral. Sie bieten Schnuppertage in den Unternehmen an, stellen Schülern Mentoren zur Seite, richten im Betrieb ein „Fest der Kulturen“ aus und initiieren für berufstätige Eltern und ihre Kinder einen „Notfallbetreuungsservice“.
Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen wird bereits vielerorts und auf vielfältige Art und Weise betrieben. Aus Sicht einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung jedoch sollten staatliche und nichtstaatliche Akteure vermehrt zusammenarbeiten, ihre gemeinsame Verantwortung bewusst gestalten und die Potenziale dieser Kooperation gezielt ausbauen. Dies setzte zuallererst einen Dialog sowie den Austausch über die jeweilige Rolle und Verantwortung der Beteiligten voraus. So sollte es die Aufgabe der Politik und Verwaltung sein, konkrete Räume sowie Anlässe der Kooperation zu fördern und zu ermöglichen. Umgekehrt sollten Unternehmen in der Rolle des „Corporate Citizen“ keine Lückenfüller für staatliche Zuständigkeiten sein. Nur wenn Unternehmen sich als verantwortungsvolle, kooperationswillige Akteure verstehen, die über ihre reine Geschäftstätigkeit hinaus einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten wollen, können sie im Kleinen vorbildliches, innovatives Engagement realisieren, das im Großen Impulse für neue Formen der sozialen und gesellschaftlichen Partizipation gibt und neue Lösungswege für gesellschaftliche Herausforderungen aufzeigt. Und davon bräuchte es - nicht nur an der Emscher – mehr!
Christiane Kleine-König, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl „Urban and Metropolitan Studies“. Im Sommer- und Wintersemester 2011/12 arbeitet sie mit Studierenden zum Thema „Unternehmen als ‚Corporate Citizen’ in der Emscher-Region“.
PDF anzeigen"Cash" von Banksy. Foto: Jonathan Cronin (CC)
Im Jahr der Kulturhauptstadt RUHR.2010 gründete sich der Verein „Emscher-Freunde“ aus einem Kreis von 18 Personen des öffentlichen Lebens. Ziel der Initiative ist es, Menschen und Organisationen in der Region zu vernetzen sowie ihre spezifischen materiellen und immateriellen Ressourcen zu bündeln, um ökologische, soziale oder kulturelle Projekte („Schaustellen“) im Neuen Emschertal zu fördern. Begleitend zum Umbau des Emschersystems durch die Emschergenossenschaft sollen diese regionalgesellschaftliche Innovation bewirken und die Zukunftsfähigkeit der Region stützen. Zu den derzeitigen Schaustellen gehören das Begegnungszentrum Deusen, der Hof Holz und die Opera School. emscher-freunde.de
Das Markplatzkonzept stammt aus den Niederlanden und trägt den Titel „Beursvloer“. Grundidee ist die freiwillige Begegnung von Unternehmen und gemeinnützigen Einrichtungen zum Austausch gegenseitiger Leistungen. Die erste „Beursvloer“-Veranstaltung fand im Jahre 1996 als nationaler Marktplatz statt. Mit dem Ruhrdax 2006 wurde das Marktplatzkonzept erstmals in Deutschland umgesetzt.
Ziel der Marktplatz-Methode ist es, in einem räumlich und zeitlich vorgegebenen Rahmen engagierte Unternehmen und gemeinnützige Einrichtungen zusammen zu führen und gegenseitige Vereinbarungen zu treffen, die schriftlich festgehalten werden. Gegenstand des „Geschäfts“ kann alles außer Geldspenden sein, so z.B. Sach- und Zeitspenden oder Know-how und Beratung. Ziel der Veranstaltung ist die Schaffung einer Win-Win-Situation zwischen den teilnehmenden Unternehmen und den gemeinnützige Einrichtungen, indem beide Seiten von den Stärken und Kompetenzen des anderen profitieren. Ein Marktplatz bietet sich vor allem als niedrigschwelliger Einstieg für Unternehmen an, die bisher wenig bis keine Engagementerfahrungen sammeln konnten.
gute-geschaefte.org
Im Ruhrgebiet wird der Ruhrdax in jährlich wechselnden Städten ausgerichtet und vom Netzwerk Ruhrgebiet, der RWE Rheinland Westfalen Netz AG und der ELE, Emscher Lippe Energie GmbH veranstaltet. ruhrdax.de
Im Verein „Pro Ruhrgebiet“ engagieren sich Vertreter von 350 Unternehmen sowie Personen des öffentlichen Lebens aus dem Ruhrgebiet, um die Entwicklung dieser Region zu fördern und mit zu gestalten. Seit 1981 setzt sich der Verein mit Fragen und Problemen des Strukturwandels auseinander und versucht, Lösungen zu finden. Dies geschieht vor allem durch die Zusammenführung und Vernetzung von Akteuren mit ihren spezifischen Kompetenzen. Es wird auf Dialog, Kooperationen mit privatwirtschaftlichen und öffentlichen Vertretern sowie bürgerschaftliches Engagement gesetzt, um ausgewählte Projekte umzusetzen. Themenschwerpunkte sind die Festigung des Netzwerkes Ruhrgebiet, Wissenschaft / Innovation / Strukturmaßnahmen, Stärkung der Identifikation mit dem Ruhrgebiet, Kulturförderung und Förderung des Sports. proruhrgebiet.de
Vor rund 15 Jahren wurden in Gütersloh (1996) und Hannover (1997) die ersten Bürgerstiftungen gegründet. Seitdem findet diese Form des bürgerschaftlichen Engagements und der Selbstorganisation großen Anklang und stetig Nachahmer.
Bürgerstiftungen verfolgen einen partizipatorischen Ansatz und zeichnen sich dadurch aus, dass in ihr sowohl Bürger als auch Unternehmen, Vereine, Kirchengemeinden, öffentliche Einrichtungen und andere Institutionen organisiert sind. Das Zustiften findet in Form von Finanzmitteln oder ehrenamtlichem Engagement statt. Der Tätigkeitsbereich einer Bürgerstiftung ist auf die unmittelbare Region festgelegt: aktive-buergerschaften.de
Im Ruhrgebiet existieren bereits in Bottrop, Duisburg, Mülheim und Essen Bürgerstiftungen. Für die Gebiete Waltrop, Castrop-Rauxel, Datteln, Lünen und Oer-Erkenschwick engagiert sich seit 2005 die „Bürgerstiftung EmscherLippe-Land“.
Einen differenzierten Einblick in das Thema gesellschaftliches Engagement von Unternehmen in Deutschland bietet der Monitor „Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen in Deutschland – Zwischen Tradition und Innovation“ (2010), herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Er beabsichtigt, auf selbiges Thema aufmerksam zu machen und Anregungen zur Verstetigung und Weiterentwicklung zu liefern. Die Veröffentlichung spannt einen Bogen von differenzierten Daten und Fakten zur heutigen Ausgestaltung über theoretische Bezüge zur Tradition hin zu diversen Nutzenperspektiven des Unternehmensengagements. Ergänzend beleuchtet sie zahlreiche Beispiele, die die mannigfaltigen Möglichkeiten dieser Art von Mitwirkung aufzeigen. Die Darstellungen enden mit einer detaillierten Übersicht von Links und Hinweisen zu relevanter Literatur, Wettbewerben, Plattformen, Initiativen und Anlaufstellen sowie Forschungs- und wissenschaftlichen Beratungseinrichtungen. bmfsjf.de
Weitere Ideen und Anregungen seitens des Landes bzw. Bundes finden sich z.B. auf den Seiten engagiert-in-nrw.de und
engagiert-in-deutschland.de.
Die „Verantwortungspartner“ -Initiative der Bertelsmann Stiftung kann auf erfolgreiche regionale Ansätze von Corporate Citizenship verweisen. In den so genannten „Verantwortungspartnerregionen“ wird das gebündelte und vernetzte Engagement für die Region erprobt. Dabei kooperieren eine Vielzahl von Unternehmensvertretern, Personen aus der öffentlichen Verwaltung sowie Mitglieder sozialer Organisationen in einem regionalen Netzwerk. Sie tragen ihre Ressourcen in Form von Personal, Zeit, Know-how oder Kontakten zusammen und erarbeiten gemeinsam ein Handlungsprogramm mit aufeinander abgestimmten Teilprojekten, die sie zur Stärkung der Region als Lebens- und Wirtschaftsraum umsetzen. Im Fokus des Engagements stehen dabei regionale Problemlagen, die die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen und der Region gleichermaßen betreffen, wie z.B. der wirtschaftliche Strukturwandel, Fachkräftemangel, mangelnde Bildung, soziale und kulturelle Integration oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auf der Agenda stehen beispielsweise: Bildungsangebote, um Jugendliche auf den Beruf vorzubereiten und ihnen den Übergang dorthin zu erleichtern; Mitmachangebote, um Kinder und Jugendliche an MINT-Themen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) heranzuführen; der Bau einer Kindertagesstätte, um Eltern die Rückkehr in den Beruf zu erleichtern, etc. Die beteiligten Unternehmensvertreter verstehen ihr Engagement vor allem als eine Investition in den Standort, die sich langfristig gesehen und mittelbar rechnet.
2010 hat die Bertelsmann Stiftung zur Anregung weiterer Ideen das Dokument „Gemeinsam. Beispielhaft. Engagiert. Ein Projektkatalog mit Beispielen und Ideen für Verantwortungspartner in der Region“ herausgegeben, das online zum Download bereitsteht. verantwortungspartner.de
Der Begriff der Wohlfahrt entstammt der christlichen Tradition von Karitas (uneigennütziges Wohlwollen) und Diakonie (Dienst am Nächsten) und umschreibt ein Handeln, das der Allgemeinheit dient und nicht dem persönlichen Gewinn. Im Fokus stehen hier notleidende oder gefährdete Menschen, Gesundheitspflege und sittlich-moralische „Erziehung“.
Steuerrechtlich sind Aufwendungen für die öffentliche Wohlfahrt als gemeinnütziger Zweck anerkannt und lassen sich nach § 52 der Abgabeordnung absetzen.
Als Teilgebiet der Volkswirtschaftslehre beschäftigt sich die Wohlfahrtsökonomie mit der Bewertung von Handlungsalternativen in Politik und Wirtschaft. Zentrales Paradigma ist die angestrebte Gewinnoptimierung, die jeder Allokation von Ressourcen zu Grunde liegt. Auch eine soziale Transferleistung ist letztendlich ein Tauschgeschäft, das für beide Seiten einen Nutzen erbringt.
Unterschieden werden die Begriffe des Sozial- und Wolfahrtsstaats. Während sich der Sozialstaat verpflichtet sieht, unverschuldet in Notlagen geratenen Bürgern zu helfen und prophylaktisch tätig zu sein, zielt der Wohlfahrtsstaat auf einen generellen materiellen und kulturellen Zuwachs für alle Bürger. Der deutsche Sozialstaat sah seine Aufgabe in der sozialen Sicherung und dem Anstreben sozialer Gerechtigkeit. Durch demografische Entwicklung, steigende Staatsverschuldung, Akkumulation von privatem Kapital und einem nachlassenden Wirtschaftswachstum geriet das Modell des Sozialstaats zunehmend in Bedrängnis. Rettungsversuche wie die Agenda 2010 basieren auf der Verlagerung ehemals staatlicher Leistungen in den privaten Sektor trotz zunehmender Erhöhung der Steuer- und Abgabenlast.
Als Begründer des Sozialstaats gilt Otto von Bismarck, dessen politisches Hauptziel es war, der Sozialdemokratie die Wurzeln zu entziehen. Dabei verschleierte Bismarck sein eigentliches Ziel des Machterhalts keineswegs. Die von ihm angestoßende Unfall-, Krankheits- und Altersversicherung war parlamentarisch schwierig umzusetzen. Nachdem deutlich wurde, dass es nicht gelang, den Parteienstaat so zum Obrigkeitsstaat umzuwandeln, verlor er auch an der Sozialgesetzgebung das Interesse.
Der „Liebe zum Menschen“ haben sich viele Stiftungen verschrieben. Philanthropie ist auch der zentrale Begriff, unter dem zur Zeit Bill Gates und Warren Buffett amerikanische Milliardäre überzeugen, den Großteil ihres Vermögens für gemeinnützige Zwecke zu spenden. Bereits einen Monat nach Start der Initiative the Giving Pledge im Juni 2011 hatten sich bereits 40 Milliardäre verpflichtet, darunter Georg Lucas (Star Wars) und Mark Zuckerberg (Facebook-Gründer). So bringen allein die ersten 10 Spender über 85 Milliarden US-Dollar und die Frage auf, inwiefern ehemals staatliche Verantwortungsbereiche durch unternehmerisches Engagement organisiert und gegenfinanziert werden dürfen, ohne die staatliche Rolle zu gefährden. Allein in den USA werden über 400 spendenwillige Milliardäre vermutet. Viele dieser Milliardäre stehen in der Kritik, weil ihr Vermögen in „unsauberen“ Fonds investiert oder mit rücksichtslosen Geschäftspraktiken erwirtschaftet wurde. Ein solches Engagement stellt also auch die Möglichkeit dar, sich und dem eigenen Unternehmen mit großzügig wirkenden Spenden ein philanthropes Image zu erkaufen.
Zu Deutsch etwa: „sich grün waschen“. Der Begriff hat sich zur Kennzeichnung von Unternehmenspraktiken eingebürgert, die offensichtlich auf das Reinwaschen des eigenen Images abzielen. Durch PR, geschickte Rhetorik und Manipulation kann es so gelingen, der Firmengeschichte und den eigenen Geschäftsaktivitäten oder –beteiligungen eine weiße Weste zu verpassen. Ein deutliches Indiz ist, wenn eine Firma mehr Zeit und Geld für die Vermarktung einer gemeinnützigen Maßnahme aufwendet, als für die Maßnahme selber. In der Regel wird diese vereinzelt besonders herausgestellt und die in Presse und Werbung verbreiteten Aussagen sind korrekt, decken als Bild aber nur eine kleinen Teilbereich der eigentlichen Unternehmensaktivitäten ab. Eine subtilere Form des Greenwashing zielt auf das Erben eines guten Fremd-Images: in Kooperationsprojekten und für Sponsoring werden Partner gesucht, deren menschen- und umweltfreundliches Profil allgemein anerkannt ist. Für groß angelegte Greenwashing-Kampagnen sind unter anderem BP, RWE und Vattenfall bekannt geworden.
Aber auch im „Kleinen“ ist Greenwashing ein Thema. Kaufentscheidungen sind außerhalb des Discountersegments multifaktoriell: das soziale, ökologische und ethische Image eines Anbieters spielt eine zunehmende Rolle. Verkauft werden immer auch Gefühle, hier das Gefühl, mit ruhigem Gewissen konsumieren zu können. Aber auch an der Börse ist das soziale Image ein geldwerter Vorteil: es ist entscheidend für das eigene Rating und den Zugang zu bestimmten Investmentfonds. Greenwashing und Wasser
Neben dem Begriff des „Corporate Citizenship“ (dt: „das Unternehmen als Mitbürger“), hat sich “Corporate Social Responsibility” (CSR – zu Deutsch “unternehmerische Gesellschaftsverantwortung“) für unternehmerisches Engagement im Bereich Umweltschutz und soziale Projekte im In- und Ausland etabliert. Die Vorteile von CSR liegen neben einem verbesserten Image auch in der Mitarbeiterbindung. Globalisierung und demographischer Wandel haben den wachsenden Fachkräftemangel in den Aufmerksamkeitsfokus der Unternehmen gerückt. Mittlerweile sind es zunehmend Unternehmen, die sich bei potentiellen Arbeitnehmern bewerben oder gar versuchen, diese abzuwerben. Neben dem Gehalt ist es das Image eines Unternehmens und dessen bewusster Umgang mit Themen wie Nachhaltigkeit, Familienfreundlichkeit und Work-Life-Balance, das den Ausschlag geben kann und dafür sorgt, dass man bei dieser Firma arbeiten möchte und sich mit ihr identifiziert. Dabei ist es wichtig, das Unternehmensziele, die vertriebenen Produkte und das CSR stimmig sind. Das größte Problem für Unternehmer ist die Positionierung innerhalb des schnell wandelbaren gesellschaftlichen Klimas zu einem bestimmten Thema. Auch tagesaktuelle Entwicklungen können ein Engagement in einem speziellen Segment ad hoc in ein äußerst positives oder negatives Licht rücken. Dabei ist die Langfristigkeit des Engagements ein zentrales Element von „Glaubwürdigkeit“. Diese wiederum ist das höchste und schwer zu haltende Gut: im Zeichen der aktiven Informations-Communities wie Facebook und Blogging können sich unternehmerische Fehltritte global in Sekunden verbreiten.
Als einer der bedeutendsten Mäzene der Kunst gilt Karl Ernst Osthaus (1874-1921). Als Sohn eines Bankiers und einer Industriellentochter überlegte Osthaus schon im Alter von zwanzig Jahren, wie er sein zu erwartendes Erbe positiv für Kunst und Vaterland einbringen könnte. Sein Studium der Philosophie und Kunstgeschichte führte ihm die Notwendigkeit der Kunstmäzene vor Augen und ließ in ihm die „Folkwang-Idee“ der Vereinbarkeit von Kunst und Leben erwachsen. Aber auch die Gestaltung des Lebensraums lag ihm besonders am Herzen. So wollte er seine Heimatstadt Hagen zur „Großstadt des Westens“ und zum kulturellen Gegenpol zu Berlin ausbauen. Sein Ziel war, das soziale Leben durch Kunst zu gestalten. Er regte den Bau des Museums Folkwang (heute „ Osthaus Museum Hagen“), einer Künstlerkolonie und von Lehrinstituten an. Der sogenannte „Hagener Impuls“ ist heute kunstgeschichtlich weltweit ein Begriff, verblieb aber Impuls. Eine größere Karriere machte der Begriff der „Folkwang-Idee“, nach der sich zahlreiche kulturelle Einrichtungen u.a. in Essen und Duisburg benannt haben.
· „40 Superreiche spenden Hälfte ihres Vermögens“, in: Spiegel Online
· Lobbypedia.de
· Greenwashingindex.com