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Plakative Kommunikation

Die Emscher als politisches Symbol

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Politische Kommunikation verwendet Symbole, um im Feld medialer Aufmerksamkeit zu bestehen. Von der Nationalflagge über den Neubau des Bundeskanzleramts bis hin zu Schwertern und Pflugscharen werden symbolisch verdichtete Themen strategisch präsentiert, um politische Entscheidungen darzustellen und zu vermitteln. Auch das wasserwirtschaftliche und ökologische Großprojekt ‚Emscher-Umbau’ wird politisch kommuniziert.

Politische Symbolisierung: Neue Inhalte

Politik ist, folgt man gängigen Auffassungen, organisiertes, kollektives Problemlösen öffentlicher Konflikte. In verschiedenen Feldern politischer Kultur definieren beteiligte Akteure die Themen, die als politische Probleme begriffen werden. Fragen die Mineralölsteuer, die Verfügbarkeit von Kindergartenplätzen oder auch den Feinstaub betreffend entstehen im Rahmen politischer Prozesse. Sie sind nicht per se ein politisches Problem, sondern werden erst im Zuge einer gesellschaftlichen Debatte hergestellt. Zumeist sind sie verknüpft mit einem Schlagwort bzw. symbolisiert durch einen politischen Begriff, der als widersprüchliche Einheit, den verschiedenen Deutungen eines Problems Ausdruck verleiht und zum Beispiel als „Öko-Steuer“, „Vereinbarkeitsproblematik“ oder als „Klimawandel“ in der öffentlichen Debatte verhandelt wird.
Welche Bedeutung die im politischen Feld verwendeten Symbolen haben, wird in Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen politischen Teilkulturen festgelegt. Die Durchsetzungsfähigkeit einer Deutung hängt zum einen von der Machtposition seiner Trägergruppe ab. Zum zweiten ist entscheidend, ob die Deutungen im Einklang stehen mit den Mustern ihrer kulturellen Umgebung, ob sie an existierende Deutungen anschließen. Drittens spielt es eine Rolle, ob die Deutungen ‚praktikabel‘ erscheinen, d. h. ob sie eine Problemlösung erwarten lassen. Des Weiteren wird mit jeder Deutung auch ein kollektives Selbstverständnis begründet. Jeder politische Diskurs, jede politische Symbolik begründet einen sozialen Zusammenhalt, ein Kollektiv, und definiert zugleich auch Grenzen eines Kollektivs.
Konkret: Die neue politische Symbolisierung der Emscher als Kennzeichen für ökologischen Aufbruch und Wandel zur Nachhaltigkeit muss sich durchsetzen gegen eine Jahrzehnte lang dominierende Deutung von dem Fluss als ein Sinnbild von Kloake. Prinzipiell betrachtet kann die angestrebte Bedeutungsverschiebung gelingen, weil – ganz allgemein gesprochen – Symbole vieldeutige und widersprüchliche Einheiten sind, die ihre Bedeutung erst im Rahmen von diskursiver Auseinandersetzung erlangen. Die Bedeutung von Symbolen muss nicht notwendigerweise einheitlich sein. Zwar hat jedes Symbol einen Kerninhalt, aber Bedeutungsverschiebungen und Variationen gehören genauso dazu; es gibt so etwas wie eine prinzipielle Unabgeschlossenheit des Symbolischen. Dies gilt es politisch zu nutzen.

Funktionen politischer Symbolisierungen

Symbolisierungen sind kollektive Vorschläge zur Absicherung von Sinnbezügen und Verhaltensstandards. Als kollektiv geteilte und vergemeinschaftende Vorstellung regeln sie das Denken und Handeln. Umgekehrt etabliert der gemeinsame Bezug auf ein Symbol kommunikative Situationen. Da Symbole zum Bestandteil des gemeinsamen Zeichenvorrats einer Gemeinschaft gehören, verweisen sie auf grundlegende Gemeinsamkeiten von Überzeugungen und Werten. Das Selbstverständnis eines Gemeinwesens, seine Traditionen, Erfahrungen und Überzeugungen werden über symbolische Repräsentationen veranschaulicht.
Individuen verwenden Symbole als Ausdrucksformen, mit denen sie eine Vorstellung, ein Abbild, eine mimetische Nachahmung ihrer Umwelt entwickeln. Dies kommt in ästhetischen Vorlieben, Gepflogenheiten und geschmacklichen Präferenzen zum Ausdruck und basiert nicht immer auf konkreten, realen Erfahrungen und Eindrücken. Eine Rolle spielen auch projektive und phantastische Vorstellungen. Erst die Vorstellungskraft sorgt dafür, dass symbolisch-diskursive Strategien entfaltet werden. Symbolische Markierungen sind deshalb nie von Dauer. Sie sind Entwürfe, vorübergehende Suggestionen, die immer wieder bestätigt werden müssen und durch die permanente, Wirklichkeit suggerierende Verwendung von Symbolen stabilisiert werden müssen. Symbole sind, so gesehen, Orte der stetigen Neu-Definition und Wieder-Aneignung.
Auch die Symbolisierung des großen Vorhabens der Renaturierung der Emscher vollzieht sich als Konventionalisierung und im Rahmen von Sinn-Zuschreibung in der Alltagspraxis und im sozialen Miteinander. Die Chance, die neue Deutung durch zu setzten, hängt nicht zuletzt am Nutzen und der Praktikabilität der Renaturierung des Flusses ab. Hier ist zunächst einmal der unmittelbar erfahrbare, ästhetische Gewinn der Maßnahme zu nennen: es riecht nicht mehr, sobald die Abwasserkanäle in Betrieb gehen. Darüber hinaus relevant ist der diskursiv-rhetorische Umgang verschiedener Nutzergruppen (Anwohner, Touristen, Vereine, regionale Verwaltung und Politik) mit dem neuen Symbol sowie ihre Handlungen, in denen sich eine spezifische symbolische Praxis ausdrückt. Indem z.B. die Emscherregion als Freizeitareal, Picknickplatz oder Spazierweg genutzt wird, artikulieren sich Rituale, Interaktionsformen, Selbst-Bilder, Leitbilder, Vorbilder und Grenzen.

Symbolik und das Kollektiv

Als zentral für eine Gemeinschaft, als die Grundlage ihrer Einheit und Eigenart gilt das, was mit Hilfe von Erinnerung konstruiert wird. Es ist ein kollektiv geteiltes Wissen über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewusstsein von Einheit und Eigenart stützt. Das „kulturelle Gedächtnis“, folgt man dessen Begriffsgeber Jan Assmann, bezeichnet den „jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand an Wiedergebrauch von Texten, Bildern und Riten (...), in deren 'Pflege' sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt“. Das „kulturelle Gedächtnis“ verfügt, so Assmann, über „Fixpunkte“, bei denen es sich um „schicksalhafte Ereignisse der Vergangenheit (handelt), deren Erinnerungen durch kulturelle Formung (Texte, Riten, Denkmäler) und institutionalisierte Kommunikation (Rezitation, Begehung, Betrachtung) wachgehalten wird“.
Die Festlegung der Bedeutung kultureller Symbole ist so gesehen immer ein kommunikativer Prozess, in dem unterschiedliche, einander entgegen gerichtete Deutungen um die diskursive Bedeutungsfestlegung, d. h. um Vereindeutigung der Bedeutung der Zeichen und Symbole ringen. Zwar strebt die Debatte danach, eine herrschende gesellschaftliche Bedeutung von Kollektivzeichen festzulegen. Aber die Produkte kultureller Formung und die Formate institutionalisierter Kommunikation stellen immer wieder einen ‚Stein des Anstoßes“ dar, an dem stetig neue Auseinandersetzungen begonnen werden (können). Auch im Rahmen eines „kulturellen Gedächtnisses“ ist Symbolisierung kein abgeschlossener Prozess.
Für die vielfältige und vielschichtige Symbolisierung der Emscher zeigt dies: Wenn verschiedene Bedeutungen verhandelt werden, entsteht eine kollektive Narration. Durch die erfahrene Bedeutungsverschiebung von der Kloake zur Renaturierung mobilisiert sich die Erinnerungsfähigkeit der Gemeinschaft. Zudem ist wichtig, wer die Akteure und Zeugen dieses Prozesses sind, und wie, anhand welcher Schlüsselbegriffe, diese Erzählungen institutionalisiert werden. Dafür bieten sich im Rahmen des Großprojekts Emscher-Umbau eine ganze Reihe von Bezugnahmen an: Neben den ökologischen, wasserwirtschaftlichen Bezügen auch kulturelle, transnationale Symbolisierungen an, z. B. Vielsprachigkeit, Multikulturalität, Mischkulturalität, die sich in der Alltagskultur, in Planungs- und Wissenskonzepten, kulturellen und alltäglichen Praktiken und Verhaltensweisen zeigen. Davon muss erzählt und berichtet werden.

Autorin: Katharina Liebsch ist Professorin für Soziologie an der Goethe Universität Frankfurt.

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Der Emscher-Weg von der Quelle bis zur Mündung / © Emschergenossenschaft

Symbole

„Sie zeigen nicht einen Wirklichkeitsausschnitt, sondern konstruieren eine Wirklichkeit, die brennpunktartig auf eine dahinter stehende Realität verweisen, von ihr ablenken oder aber auch eine eigene, politische, wirklichkeitsresistente Sphäre schaffen kann.“
Ulrich Sarcinelli (Politikwissenschaftler)

Repräsentationen

Die Literaturwissenschaftlerin Gayatri Chakravorty Spivak definiert das Wort „repräsentieren“ sowohl mit „darstellen“ als auch mit „vertreten“; es kann einerseits verstanden werden als „Sprechen von“ und andererseits als „Sprechen für“. Die Emscher ist gerade in der Phase des Wandels auf Symbole angewiesen, um das Mammutprojekt Emscher-Umbau in seiner Bedeutung greifbar zu machen. Diese Symbole, bzw. Repräsentationsformen, sollten sowohl eine deskriptive Funktion haben und informieren, was im Rahmen des Emscher-Umbaus geschieht als auch eine Repräsentationsfunktion nach außen besitzen und für das Wandlungspotenzial der gesamten Region sprechen.

Symbol ‚Fluss’

Die Verwendung von Symbolen und die Symbolisierung von ausgewählten Inhalten verweist auf die Wahl des kollektiven Selbstverständnisses. Dies umfasst auch ein Verständnis von Wirtschaft, Umwelt und Kultur.


Politik als Ritual

Der amerikanische Politikwissenschaftler Murray Edelman beschrieb 1964 in seinem Buch „The Symbolic Uses of Politics“ die propagandistische Nutzung von Ritualen innerhalb der Politik, die dazu diente, Handlungsstärke zu demonstrieren, während die Probleme in Wirklichkeit ungelöst bleiben. Die Wähler würden durch symbolische Ritualhandlungen gezielt getäuscht, um den Politikern ihren Status quo zu sichern und ihren Legitimitätsanspruch geltend zu machen. Somit diene die Politik nur sich selbst und nicht länger den Interessen des Volkes.

Ritual

Rituale sind traditionelle und oft religiös begründete Handlungen mit hohem Symbolgehalt, wie zum Beispiel im Abendmahl Brot und Wein als Symbole für Leib und Blut Christi. Kulturelle Feierlichkeiten von Hochzeiten bis Beerdigungen zeichnen sich durch eine starke Ritualisierung aus; daneben werden aber auch bei bestimmten Alltagssituationen, etwa bei Begrüßungen, genau festgelegte, aber oft unbewusste Rituale ausgeführt.

Symbol und Region

Regionaler Strukturwandel heißt, der neuen Welt auf unterscheidbare Weise Ausdruck und Präsenz zu verschaffen. Regionalspezifische Bilder, Symbole und Stile ermöglichen eine spezifische Raumerfahrung.


Wissenswertes


Transnationale Kultur

Auch die kulturellen Orientierungen und Lebensweisen der in der Emscher-Region lebenden Einwanderer brauchen Symbolisierung. Diese können ideell, praktisch oder in Form eines materiellen Beitrags zum Ausdruck gebracht werden.

Transnationalität

Essentielles Merkmal von Transnationalität ist die Vielfalt von Verbindungen, die Menschen im Herkunfts- als auch in einem aus verschiedenen Gründen gedachten Zielland unterhalten (das kann ein Migrationszielland sein oder aber ein Land, in das wirtschaftliche Beziehungen erfolgen sollen) und die dadurch entstehenden Netzwerke und auch Mehrfachidentitäten in einem nationenunabhängigen Raum, wobei das deutsche Wort Raum zu stark nur auf den geographischen Aspekt hinweist. Das englische „space“ umfasst neben der Übersetzung als „Raum“ durch seine weiteren Deutungsmöglichkeiten als „Platzangebot“, „Weltall“, „Spielraum“ oder „Freifläche“ viel mehr den Sinn eines freien Feldes, in dem Beziehungen transnationaler Art existieren können.

Multikulturalität

bezeichnet zunächst einmal die Existenz verschiedener Kulturen innerhalb einer Gesellschaft. Oft wird von der mehrheitlichen Gruppe mit dem Konzept der Multikulturalität die Anerkennung und der Schutz individueller kultureller Hintergründe verfolgt – jedoch auch gleichzeitig eine vorherrschende gemeinsame Kultur präferiert. Dieses Ziel sollte ohne Zwang zur Assimilation erreicht werden, da sonst der Aspekt der Gleichberechtigung der verschiedenen Kulturen nicht mehr gegeben ist. Die Idee, „friedlich nebeneinander zu existieren“, ist jedoch insofern problematisch, dass sie in der Realität häufig zur Bildung von Parallelgesellschaften führt.

Mischkulturen

Als Mischkulturen bezeichnet man jene Kulturen, die aus verschiedenen Gruppierungen, z.B. Ureinwohnern und Einwanderern verschiedener Dekaden und Herkunftsländern, erwachsen sind. Die USA oder auch Neuseeland zeichnen sich durch diese Mischkulturalität aus und betrachten das Konzept des „Melting Pot“ als wesentliches Markenzeichen ihrer Kultur und als Symbol für ein freiheitliches und tolerantes Miteinander.

Zur Geschichte nationaler Identitätsbildung findet auch gerade eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin statt, die sich unter dem Namen "Fremde? Bilder von den Anderen in Deutschland und Frankreich seit 1871" mit der Geschichte nationaler Selbstdefinitionen beschäftigt.