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Wirtschaftsakteure greifen seit langem in den natürlichen Wasserkreislauf ein. Aus der Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung geht es darum, allen Menschen einen Zugang zu Trinkwasser zu sichern, die Gewässer vor Verunreinigungen zu schützen, die Wasservorräte sparsam zu bewirtschaften sowie Menschen und Sachwerte vor Hochwasser, aber auch vor „Versumpfungen“ in Folge falscher Gewässernutzungen zu bewahren. Diese Ziele müssen immer wieder neu ausbalanciert werden.
In den utopischen Romanen des 19. Jahrhunderts war kein Regenschirm nötig; der Niederschlag wurde großflächig abgefangen und störte nichts und niemanden: Trockenen Fußes konnte man einen Bummel durch die Stadt machen. Überschwemmungen, wie sie sich in vielen Orten im Frühjahr immer wieder ereignen, kamen dort ebenfalls nicht vor. Und selbstverständlich gab es auch keinen Wassermangel.
Bezogen auf den Umgang mit Wasser haben sich die Visionen der Utopisten bis heute gehalten: An die Wasserwirtschaft und ihre Institutionen werden ähnliche Anforderungen wie in den utopischen Romanen gestellt: Weder zuviel Wasser noch zuwenig Wasser darf sich in den Siedlungen befinden, weder Hochwasser noch ein Wassernotstand. Die Ingenieure aus dem Wasserfach versuchen diese Utopien zu realisieren und zumindest in den industrialisierten Volkswirtschaften kommen sie ihnen bereits sehr nahe.
Rund um die Uhr fließt bei uns Wasser in Lebensmittelqualität aus dem Hahn – kühl, geschmacklos und erfrischend. Tag und Nacht sind die Hydranten für die Feuerwehr ausreichend gespeist. Aus dem Untergrund ausfahrbare Spundwände sind entlang der Uferpromenaden bereits in einigen Städten am Rhein und anderen Flüssen errichtet, die bei Hochwasser wirkungsvoll dafür sorgen, dass kaum noch Überschwemmungsschäden entstehen. In anderen Erdteilen kann das ganz anders sein: In den Luxushotels stehen dort im Zimmerkühlschrank und – zum Zähneputzen auch neben dem Waschbecken – kleine Flaschen mit Trinkwasser, während aus dem Wasserhahn eine nach Chlor riechende, manchmal minimal trübe Flüssigkeit fließt. Immerhin kommt dort immer Wasser aus dem Hahn, erlaubt jederzeit eine erfrischende Dusche oder einen Wannenbad.
In vielen Slums aber ist kein Zugang zu Wasser und Sanitärtechnik vorhanden. Dort kommt einmal am Tag der Wasserverkäufer und verkauft dort den Ärmsten eimerweise Wasser zu überteuerten Preisen – häufig tausendmal teurer als aus der Leitung. Wenn eine der Hütten im Slum Feuer fängt, lässt sich dieses nur ausklatschen. Löschwasser steht nicht zur Verfügung. Wer auf die Toilette muss, nimmt sich einen Plastikbeutel, sucht sich eine unbeobachtete Ecke und entleert sich in den Beutel, der hinterher zugeknotet wird und als „flying toilet“ in die Umgebung geworfen wird. Wenn die Monsunzeit beginnt, sind die Hütten am ausgetrockneten Wasserlauf gefährdet, weil aufgrund des Regens plötzlich wieder Wasser fließt, nicht als Rinnsal, sondern als Überschwemmungswelle, die aus allen Ecken des Flussbettes Unrat mit sich führt und in die Häuser eindringt.
Die Wasserwirtschaft mit ihren ordnenden Eingriffen in den Wasserhaushalt verdankt sich zunächst den neuzeitlichen Naturwissenschaften, die das Geschehen des Wasserkreislaufs aufklären konnten: Über den Ozeanen bilden sich aufgrund der Verdunstung von Meereswasser Wolken. Nur ein Teil des Wassers, das aus den Wolken über dem Land abgeregnet wird, versickert und wird zu Grund- und Quellwasser, das in die Flüsse gelangt und zum Meer hin abfließt. Ein anderer Teil dringt nicht in den Boden ein, sondern verdunstet wieder. Auf der Grundlage von rechnerischen Bilanzen konnte auch die Ergiebigkeit von Quellen und anderen Wasserressourcen bestimmt werden, eine Voraussetzung für die planmäßige Erschließung der Ressourcen. Mit Hilfe von zunächst mit Dampfkraft betriebenen Pumpen konnte das Wasser gehoben werden, aus dem Boden, in die Vorratstanks der Wassertürme, um von dort in den Siedlungen verteilt zu werden.
Daneben trug auch die politische Debatte über die Probleme der Verstädterung zum Aufbau der Wasserwirtschaft bei: Um die Städte zu attraktiven Orten zu gestalten, wurde es ab der Mitte des 19. Jahrhunderts von Sozialreformern, Wissenschaftlern und Kommunalpolitikern, für notwendig angesehen, Kanalisationssysteme aufzubauen, in denen häusliche und gewerbliche Abwässer aus den Städten heraus transportiert werden konnten. Zunächst wurde diese Flüssigkeit ohne weitere Behandlung in die Flüsse eingeleitet. In langen Auseinandersetzungen zwischen Kommunalaufsicht und den Städten wurden erste, noch primitive Kläranlagen erstritten.
Erst die Beschwerden der unterhalb an den Flussläufen liegenden Städten und Industriebetriebe, die zunehmend in ihren Handlungsspielräumen eingeschränkt wurden, weil sie kein Wasser mehr aus dem Fluss fördern konnten, das eine ausreichende Güte aufwies, führten dazu, dass über eine angemessene Klärtechnik nachgedacht wurde. Die Abwasserbehandlungsanlagen wurden dann Schritt für Schritt nachgerüstet.
Letztlich wurde ein zentral ausgerichtetes Infrastruktursystem aufgebaut, das unter den gegebenen Rahmenbedingungen – Wirtschaftswachstum und zugleich Städtewachstum – extrem leistungsfähig war und inzwischen mehr als 100 Jahre Bestand hat. Teilweise waren und sind die Einrichtungen der Wasserwirtschaft in den Kommunen im Rahmen von Stadtwerken und von städtischen Ämtern organisiert. Im Ruhrgebiet ließ sich daneben auch schon früh beobachten, dass für die Bewirtschaftung der Einzugsgebiete von Emscher, Lippe und Ruhr dem Gemeinwohl verpflichtete Zweckgenossenschaften eingerichtet wurden, in denen sich Kommunen, Bergbau und Gewerbe zusammenschlossen.
Den Vereinten Nationen zufolge ist Wasser „ein für Leben und Gesundheit wesentliches öffentliches Gut“. Damit Menschen in Würde leben können, ist ein „Menschenrecht auf Wasser“ unumgänglich. Allerdings sind die bei uns bisher erfolgreichen Lösungen der industriezeitlichen Wasserwirtschaft sehr kapital- und energieintensiv. Sie lassen sich daher nicht ohne Weiteres in die Länder des Südens übertragen. Derzeit aber verändern sich die Rahmenbedingungen für die Wasserwirtschaft auch in Mitteleuropa: Deutschland wandelt sich vom Produktions- zum Dienstleistungsstandort. In einigen Landesteilen nimmt die Bevölkerung bereits heute ab; in den nächsten dreißig Jahren, so wird prognostiziert, wird fast überall ein demographischer Wandel eintreten. Durch den Klimawandel verändern sich die Niederschlagsereignisse und deshalb werden beispielsweise die Durchmesser der Abwasserkanäle zukünftig anders zu dimensionieren sein.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die bisherigen Konzepte der Wasserwirtschaft unter den veränderten Bedingungen noch optimal sind.
Derzeit behindern Kapitalintensität sowie Organisationsformen der Wasserinfrastrukturen noch radikale Umbrüche im Bestand. Für die Zukunft sind jedoch intelligente Systemveränderungen in Sicht, die die Wasserwirtschaft grundlegend verändern können: In japanischen Städten, z. B. in Fukuoka, sind bereits heute Brauchwassernetze zusätzlich zur Trinkwasserversorgung errichtet. Kalifornien und Australien werden in Zukunft einen Teil des Bedarfs an Wasser für die Gartenberegnung und Toilettenspülung auf ähnliche Weise befriedigen. Auch aus Modellsiedlungen wie Lübeck-Fintenbreite oder der SolarCity Pichling bei Linz, in denen verschiedene Teilströme des Abwassers unterschiedlich behandelt werden, kann gelernt werden: Wo bisher die Abwasserbehandlungsanlagen noch große Energiefresser sind, können sie in Zukunft auch zu großen Energieerzeugungsanlagen werden, die zugleich den Biomüll verarbeiten und mit nachwachsenden Rohstoffen aus der Landwirtschaft gespeist werden.
Anstelle sektororientierter, voneinander unabhängig optimierter Lösungen für die Trinkwasserversorgung, die Abwasserbeseitigung und den Hochwasserschutz geht es um die integrierte Entwicklung flexibler Systemlösungen. Diese Lösungen müssen auf Nutzungsbedürfnisse, soziale Situationen sowie ökonomische und ökologische Langfristbedingungen abgestimmt sein. Dabei werden nicht nur in den bereits wasserwirtschaftlich tätigen Unternehmen neue Geschäftsfelder entstehen - z. B. betreibt der Lippeverband in Dahler Feld moderne Kleinkläranlagen für die Hauseigentümer -, sondern auch neue Abstimmungen mit dem Abfall- und dem Energieressort auf staatlicher Ebene notwendig sein. Die Etablierung dieser Planungsprinzipien wird dazu führen, dass nicht länger an Symptomen angesetzt, sondern dem Wassersystem konforme Lösungen gefunden werden. Auch für die Menschen im Süden.
Autor: Dr. Engelbert Schramm ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für sozialökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt am Main.
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© Emschergenossenschaft
1,1 Mill. Menschen haben keinen Zugang zu ausreichender Wasserversorgung, 2,4 Mill. sind ohne sanitäre Anlagen. Für das Jahr 2000 hatte sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, mehr Menschen den Zugang zu Trinkwasser und Sanitärsystemen zu gewährleisten.
Zahlreiche Beispiele für stadtökologische Maßnahmen im Bereich Wasser sind im Zusammenhang mit der Zukunftsvereinbarung Regenwasser zwischen dem Land NRW, den Emscherkommunen und der Emschergenossenschaft realisiert worden. Parallel zum Umbau der Emscher soll die Belastung der Kanalisation durch Regen- und Reinwasser in den nächsten 15 Jahren um 15 % gesenkt werden.
(www.emscher-regen.de)
Wasser ist keineswegs immer "nass".
Eine große Menge der kostbaren, wenn auch oft zu gering geschätzten Flüssigkeit ist versteckt in Nahrungsmitteln, Kleidungsstücken oder Haushaltsgegenständen.
Denn bei der Herstellung zahlreicher Produkte werden enorme Mengen Wasser verbraucht. Lassen wir in Deutschland pro Kopf und Tag ca. 130 Liter H2O aus den Hähnen fließen, so ist diese Menge im Vergleich zum Verbrauch durch täglich genutzte Lebensmittel und Kleidung eher gering: 4000 Liter werden hierfür benötigt. Zwar verschwindet dieses Wasser nicht, doch es wird verschmutzt. Der Aufwand der Reinigung und Rückführung in den Kreislauf ist hoch und wird bei der Wertschätzung von Produkten kaum berücksichtigt.
Dramatisch wird diese Situation dann, wenn man sich vor Augen führt wo auf der Welt tatsächlich die stärkste derartige Beanspruchung der Natur stattfindet. Oft sind es nämlich Drittweltländer und Regionen mit problematischen ökologischen Bedingungen, in denen die wasserintensivsten Herstellungsprozesse stattfinden. Das Paar Markensportschuhe im Kaufhausregal hat satte 8000 Liter Wasserverbrauch beim Gerben und Färben auf dem Gewissen - made in Vietnam.
70 Prozent des Wasserverbrauchs durch den Menschen gehen auf das Konto der Landwirtschaft. Spitzenreiter beim Wassereinsatz ist hier die Fleischproduktion - die Rinderherden fressen Gras, das zum Wachsen Wasser braucht. Errechnet wurde hier, dass für die Produktion von einem Kilogramm Steak etwa 14 000 Liter Wasser erforderlich sind.
Die Bilanz ist ernüchternd: sparen wir am Wasser "aus der Leitung", ist das zwar durchaus löblich, doch für den Wasserhaushalt kaum relevant. Die stärkste Belastung findet in der Industrie und bei der Schaffung der wunderbaren Warenwelt statt.
Seltsam mutet vor diesem Hintergrund auch an, dass Menschen offenbar bereit sind, für das gleiche Produkt ein Vielfaches des Preises zu bezahlen, sobald dieses in eine Flasche abgefüllt und mit Etikett und Werbung zum Markenprodukt erhoben wird.
Nötig ist auch die Adaption an veränderte Rahmenbedingungen, etwa den Ersatz der überdimensionierte Großkläranlage durch semizentrale Anlagen in den Ortsteilen einer „schrumpfenden“ Landgemeinde.
Klärwerk Emscher: Das Klärwerk wurde 1976 fertig gestellt und war mit einer Gesamtfläche von 75 Hektar damals das größte Klärwerk Europas und ist heute immer noch das zweitgrößte Klärwerk der Welt. Geklärt wird seither das Wasser eines 865 Quadratkilometer großen Einzugsgebiets mit Städten wie Dortmund, Essen, Oberhausen oder Duisburg. Bei Niedrigwasser reinigt das Klärwerk 10.000 Liter Wasser pro Sekunde. Bei Hochwasser lässt sich die zu reinigende Wassermenge leicht auf das Dreifache steigern.
Wasserwirtschaft ist nach DIN 4049 als „zielbewusste Ordnung aller menschlichen Einwirkungen auf das ober- und unterirdische Wasser“ definiert. Sie befasst sich mit der Bewirtschaftung des Wassers einschließlich Hochwasserschutz und Gewässerschutz.
Erprobte Verfahren aus der Industrieabwasserwirtschaft und neue Informationstechnologien erlauben es, dezentrale Anlagen zentral optimal zu steuern und angemessene Kreislaufnutzungen zu realisieren.
Wer heute zum Angeln an die Emscher geht, wird mit Sicherheit von seinen Nachbarn für verrückt gehalten - dabei galt sie bis 1850 als ideales Fischgewässer. Von da an geht es mit der Emscher schnell "den Bach runter", da mit der Nordwanderung des Kohlenbergbaus erste Zechen und Städte entstehen. Deren Abwässer gelangen als giftige Brühe größtenteils in die Emscher. Die sumpfige Niederung zwischen Herne und Oberhausen wird nach und nach zur stinkenden Kloake: begünstigt durch das geringe natürliche Gefälle hemmt den Abfluss. Das schmutzige Wasser wird zu Brutstätten von Krankheiten und Epidemien wie Typhus und Malaria. Damit die Region nicht weiter im Abwasser versinkt, muss ein Konzept für alle Städte entlang der Emscher her - die Emschergenossenschaft. Diese verlegt ab 1906 die Emschermündung in den Rhein um zehn Kilometer nach Norden, damit der Abfluss gesichert ist. Streckenweise wird die Emscher zwischen Dortmund und Duisburg begradigt. Der ursprünglich 110 Kilometer lange Fluss verkümmert somit zum offenen Abwasserkanal aus Beton von nur noch 70 Kilometer Länge. Eine unterirdische Kanalführung wird in Erwägung gezogen, ist aber letztendlich nicht finanzierbar. Die Emschergenossenschaft errichtet Deiche und zahlreiche Pumpwerke, die eine erneute Versumpfung der Region verhindern sollen. An einigen Stellen liegt das Flussbett der Emscher jetzt in hohen Deichen mehrere Meter über dem Umland.o sind heute knapp 20 Prozent des Emschergebietes künstlich trockengehaltene Flächen, sogenannte Polder. In den ersten Jahrzehnten nach ihrer Gründung hat die Emschergenossenschaft nur dafür zu sorgen, dass die Abwässer in den Rhein fließen. Eine Klärung ist nicht vorgesehen, Naturschutz spielt in dieser Zeit keine Rolle. Erst in den 20er Jahren bringt die wachsende Menge an giftigen, phenolhaltigen Abwässern die Bevölkerung auf die Barrikaden. Klagen der Rheinfischer über unverkäuflichen "Phenolfisch" und die Proteste der dortigen Bevölkerung über ungenießbares Trinkwasser sind jetzt Anlass für die Errichtung der ersten Entphenolungs- und Kläranlagen im Emschergebiet. Jahrzehntelange Bemühungen haben nur ein Ziel: den Rhein vor zusätzlicher Verschmutzung zu schützen. Mechanische und biologische Kläranlagen werden immer effizienter, bis 1976 das damals modernste Klärwerk der Welt in Betrieb geht - und das direkt vor der Mündung der Emscher in den Rhein.