Deusen 7

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Vom Theater machen war oft die Rede

von Peter Strege

Jetzt machen sie es nicht nur - die Menschen in Deusen : Sie spielen es. Und zwar in der Kirche. Das "Dorfgemeinschaftshaus" pulsiert und bringt übers Theater machen und mittels der Aufführungen Menschen zusammen, die sich lange nicht mehr gesehen oder gesprochen haben. Ganz nebenbei: Die Einnahmen kommen dem Verein zu Gute und helfen ganz empfindlich, eine durstige Kasse zu füllen. Doch das ist gegenüber dem Nebeneffekt, der die hohe Zielsetzung, Menschen derart miteinander ins Benehmen zu setzen, dass sie sich als Gemeinschaft fühlen, zwar schön und wünschenswert, aber fast zweitrangig.

Die Kirche lebt an den Tagen der Proben, bei der Vorbereitung der Aufführungen und natürlich erst Recht, wenn's geklingelt hat. Damals, als die Idee aufkam, man könne ja auch im Rahmen der "Kirche im Dorf " - Aktivitäten Theater spielen, haben von den kühnen "Umbauaktivisten", die weiß Gott mutig genug zu träumen wagten, einige lächelnd abgewunken und manche haben es auch laut gesagt: "Wenn alle mit anpacken, dann wird's was. Aber mit Theater spielen? Wie soll das gehen?"

Daß es geht, kann man erleben. Das 3. Stück läuft gerade durch und von Müdigkeit bei den Mitspielern oder von Überdruß bei den Zuschauern kann keine Rede sein. Im Gegenteil. Eine regelrechte Theaterbegeisterung macht im Dorf die Runde und wenn man erlebt, wie bereits jetzt die "kirchliche Umwandlungsaktion" funktioniert, braucht man für die Zukunft des "Kommunikationsortes" keine Sorgen haben. Wer hätte vor 3 Jahren zu hoffen gewagt, dass am sich 8. Februar 2009 um 15 Uhr im ausverkauften Haus 130 Menschen zu Kaffee und Kuchen drängeln würden, weil um 16 Uhr die Vorstellung beginnt? Das heißt: Wenn man die Menschen anspricht, wenn man sie so anspricht, dass sie sich Ernst genommen und auch ein bisschen gestreichelt fühlen, dann kommen sie. Klar wäre es schön, wenn für praktische Arbeiten die Begeisterung ebenso groß wäre wie für's Amusement. Aber es ist ein Anfang. Der Beginn dessen, dass die Menschen eine Örtlichkeit besetzen, sie zu ihrem "besonderen Ort" machen, an dem sie Gemeinsamkeit pflegen wollen. Das ist das, was Deusen seit dem Weggang des "Ritterkruges" mit seinem in die Jahre gekommenen Saal gefehlt hat. Das Gemeinwesen ist auf dem besten Wege, die hohen selbstgebastelten Ansprüche realisieren zu können. Daß dabei Selbstbehauptung und eine gehörige Portion über sich selber lachen zu können eine wichtige Rolle spielen, hätte man zwar wissen können, aber gewusst hat es niemand. Zur Überraschung aller sind es wieder einmal die "vereinten Widersprüche", die als Salz in der Suppe Dinge gestaltbar erscheinen lassen und Sachen verhandelbar machen, die, mit allzu viel Eifer vorgetragen, zu Verhärtungen und kompromisslosem Beharren führen, wohingegen beim "Belustigen" die Menschen sich trauen aufeinander zuzugehen. Besagt doch, dass das Potential bei den Einwohnern, auf der Bühne zu agieren, vorhanden ist und dass die Bereitschaft, sich Dingen zu nähern, die eben noch unmöglich erschienen, nicht unmöglich erscheint.

Das bedeutet, dass die Initiative derer, die ihre Kirche umnutzen (, damit im übrigen einen alten Gedanken Karl Gansers in die Tat umsetzen und mit Leben füllen, auch wenn der nicht unbedingt an sakrale Bauwerke gedacht hat sondern an Bauten des industriellen Zeitalters, von wegen der Menschen und der Last der Geschichte auf ihren Schultern,) nur dann gelingt, wenn sie den Ort als den ihren erfahren. So werden die anstehenden Veränderungen im Revier, in der Emscherzone, von denen am besten bewältigt werden, die schon frühzeitig gelernt haben, dass der eigene Antrieb, ähnlich wie der eigene Herd, tatsächlich Goldes Wert ist. Wer einmal an einer Theateraufführung dieser "Laienschauspielerei", die im Wesen wahres Volkstheater ist, Teil genommen hat, wird schnell begreifen, warum gut gemeinte Ratschläge und wichtige Belehrungen oft als "Besserwisserargumentation" empfunden werden und auf erbitterte Ablehnung stoßen.

Gemeinschaftsgedanken mit der durch Arbeit geförderten Identität scheinen aus der Zeit zu stammen, als Arbeit erstens für alle das und zugleich unabdingbar verpflichtend war und man für die "schönen Dinge" des Lebens zwar sehnsuchtsvoll aufgeschlossen, aber zweitens doch in weiten Teilen auch ausgeschlossen war. Nun treffen sich hier und heute zwei "Stremel", nämlich die Vergnügungen ehemaliger dörflicher Gemeinschaften, dazu gehört unstrittig ein wahres Volkstheater und die Selbstbestätigung durch Arbeit, die in Deusen quasi untergenäht ist, in der ehemaligen Kirche, die immer noch Kirche ist und es gelingt ein "Gemeindeleben" zu entfachen, was tragfähig für jede Zukunft sein kann.

Insofern hat der Gemeinschaftshausgedanke schon längst vor der Fertigstellung Einzug gehalten. Die Menschen leben es schon und erleben es. Ob sie es wissen, werden die Anforderungen der Zukunft erweisen.

Erstellt: 01.02.2009 // 4.168 Zeichen (Foto: Eckart Waage / © studio b music GmbH)



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