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Der Emscher Landschaftspark (SR)

Ansätze und Strategien zur Gestaltung der Industrielandschaft

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von Michael Schwarze-Rodrian. (in "IndustrieNatur - Ökologie und Gartenkunst im Emscher Park", hrsg. von Jörg Dettmar und Karl Ganser, Stuttgart 1999)

Die Ausgangspunkte des Regionalparks:

Realismus und Vision

Der Emscher Landschaftspark entsteht seit Anfang der 90er Jahre im Kern des Ruhrgebiets. Ausgangspunkte sind:
• die Stadt und Industrielandschaft so wie sie ist,
• die Kenntnis des Raumes und der Interessen an und in diesem Raum
• die Schönheiten, Qualitäten und Potenziale die in dieser Restlandschaft von gestern stecken

Ausgangspunkte sind auch
• die Hässlichkeiten,
• die vielen Restriktionen,
• Belastungen, Zerschneidungen und Zerstörungen.

Ausgangspunkte sind ebenso
• die 2 Mio. Menschen, die im Kern des Ballungsraumes leben und diese Stadtlandschaft ganz unterschiedlich nutzen und wahrnehmen.
• die 17 Städte und vielen Institutionen, Nutzer und Eigentümer, die sich die „Zuständigkeit“ für diese Landschaft so teilen, dass sich niemand mehr für ihre Fortentwicklung verantwortlich fühlt(e),
• eine Vision von der Weiterentwicklung dieser Industrie- und Stadtlandschaft zu einer urbanen Kulturlandschaft. Diese kulturelle Vision enthält ein umfassendes Verständnis von ästhetischer, ökologischer und sozialer Qualität der Stadtlandschaft des Ruhrgebiets.

Ausgangspunkt ist auch
• eine strukturpolitische und ökonomische Beurteilung der strategischen Bedeutung der Landschaftsqualität für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Ruhrgebiets im europäischen Wettbewerb der Regionen.

Ausgangspunkte sind
• die (mittlererweile erprobte) Überzeugung von der Machbarkeit einer integrierenden regionalen Parkentwicklung,
• eine grundsätzliche Offenheit zur Kooperation und Kommunikation,
• die Bereitschaft zur ständigen Fortschreibung und Aktualisierung dieser Vision eines regionalen Parksystems auf der Grundlage der gemachten Erfahrungen mit den Menschen, den Institutionen und Partnern des Emscher Landschaftsparks und bei der Realisierung seiner Einzelprojekte.

Räumlicher Zuschnitt und Projektmanagement:

Die drei Ebenen des Regionalparks

Der Regionalpark
Auf einer Grundfläche von rd. 320 qkm wird Projekt für Projekt ein zusammenhängender Regionalpark aufgebaut, der der Stadtlandschaft dieses Ballungsraumes neue Qualitäten bringt. Ein langfristig ausgerichtetes Projekt ist erfolgreich gestartet worden - und: noch lange nicht am Ziel! Die erforderliche Zeitspanne für eine annähernde Erfüllung der Parkvision wird auf 30 bis 40 Jahre geschätzt: die Phase einer ganzen Generation. Der neue Park erstreckt sich zwischen Duisburg am Rhein und Bergkamen in Westfalen auf einer Ost-West-Distanz von rund 70 km. Er verbindet die zwischen 17 Städten verbliebenene Restlandschaft zu einem zusammenhängenden Parksystem.
Der Name ist Programm und räumlicher Bezug zugleich. Der Aufbau des Emscher Landschaftsparks erfolgt parallel zum ökologischen Umbau des Emschersystems - auch dies ein großes Maßnahmenbündel in der ganzen Region und eine dringende und langfristige Aufgabe ohne Aufschub. Regionaler Kern des Emscher Landschaftsparks ist daher auch der langfristige Aufbau eines neuen Ost- West-Grünzuges entlang der Emscher und der Seseke und der sie begleitenden Schifffahrtskanäle. Die plakative Aufforderung: "An die Ufer der Emscher!" wird jedoch - auf Grund der Dimension dieser Aufgabe - noch viele Jahre unerfüllbar sein.
Dieser regionale Verbund der gesamten Freiräume, die Formulierung von Qualitätsmaßstäben und Entwicklungszielen für das gesamte Regionalparkvorhaben und die langfristige Kooperation mit der Emschergenossenschaft als Träger des ökologischen Emscherumbaus bildet die erste Ebene des Emscher Landschaftsparks.
Die regionalen Dimensionen des Emscher Landschaftsparks werden besonders anschaulich, wenn man ihn als Regionalpark mit bekannten Stadt- und Stadtparkkulissen vergleicht.

Die Regionalen Grünzüge
Wegen der praktischen Handhabbarkeit des großen Gesamtprojektes und der unersetzbaren Bedeutung aktiver Nachbarschaft - der Möglichkeit zur tatsächlichen Identifikation mit der Landschaft aufgrund von Ortskenntnis - ist das Parkprojekt in sieben regionale Grünzüge (A - G) untergliedert. Diese von Süden nach Norden verlaufenden Freiräume sind parallel zu der historischen Süd-Nord-Entwicklung des Bergbaus, der Ruhrgebietsindustrie und der Ruhrgebietsstädte übriggeblieben. Sie bilden die zweite Ebene des Emscher Landschaftsparks.
Es sind Zwischenräume. In ihnen liegen die Stadtgrenzen. Aus Sicht der Stadtzentren sind es jeweils die Stadtränder, das "Am-Rande-liegende"; aus Sicht der regionalen Landschaftsentwicklung bilden sie den Kern, fungieren Restlandschaft und Landschaftsbänder als Zentrum und Ausgangspunkt einer neuen Struktur und urbanen Kulturlandschaft. Die sieben regionalen Grünzüge sind der Ort für interkommunale, Stadtgrenzen überschreitende Zusammenarbeit der jeweils drei bis fünf Nachbarstädte, die an dem einzelnen regionalen Grünzug liegen. Hier wurde und wird gemeinsam geplant, hier werden Projekte und Maßnahmen ausgewählt und beraten, hier werden auch die Konflikte der Parkentwicklung sichtbar.

Die Einzelprojekte
Der Emscher Landschaftspark wird in vielen Einzelmaßnahmen und Projekten umgesetzt. Dies ist die praktische und damit spannendste dritte Ebene des regionalen Parkaufbaus.
In den Einzelvorhaben werden die verschiedensten Freiflächen und Landschaftsteile durch Landschaftsgestaltung, Biotopmanagement, Kunstaktionen und vieles mehr weiterentwickelt und qualifiziert. Hier erfolgt auch der regionale Wegebau, der die Landschaft für die Bevölkerung mit einem ganzen System neuer Rad- und Fußwege erschließt. Die Situation der einzelnen Flächen bildet den jeweiligen Ausgangspunkt für die neuen Entwicklungen. Aus dem Ort, seinem Zustand, seinen Potentialen, seinem Umfeld und der Zukunftsplanung werden die jeweiligen Projektziele entwickelt. Die Zeugen und Spuren der vorangegangenen und der bestehenden Industrienutzung werden aufgegriffen, in ihrer ökologischen Bedeutung beachtet und in ihrer ästhetischen Qualität für die neue Landschaftsgestaltung nutzbar gemacht.
Der Wandel im Umgang mit den Einzelstandorten soll insgesamt einen anderen Umgang mit der urbanen Stadtlandschaft bewirken. Das Arbeiten an den vielen Einzelvorhaben und die Summe dieser Projekte hat die Wahrnehmung der Stadtlandschaft bereits erheblich verändert - und soll sie auch in Zukunft weiter verändern.
Für die bereits gebauten und für die noch geplanten Projekte gilt: aus Industrielandschaft und vernachlässigter Stadtlandschaft soll Kulturlandschaft entstehen - auf der Einzelfläche, im Einzelprojekt ebenso wie auf der Gesamtheit der Freiräume im regionalen Park. So soll sich Inkompetenz und Vernachlässigung der Stadtlandschaft zu Verantwortung und Nachhaltigkeit wandeln.

Zusammenarbeit - just in time

Für das richtige Verständnis des Zusammenwirkens der drei Ebenen des Emscher Landschaftsparks ist es wichtig zu wissen, dass sie gleichzeitig und gleichberechtigt nebeneinander entwickelt und betrieben werden. Im Unterschied zu früheren Verfahrensweisen gibt es kein Nacheinander. Für eine erfolgreiche Einmischung in die Nutzungs- und Landschaftsentwicklung in Ballungsräumen käme man sonst (weiterhin) immer zu spät.
In der Gleichzeitigkeit von regionaler Strategie und Erprobung im gebauten Projekt steckt eine der großen Stärken des Emscher Landschaftsparks. Sie begründet die entstandene Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtprojekts in dem täglich sich fortsetzenden Flächen- und Strukturwandel der Region.

Vielfalt in der Gestalt -

ein Qualitätsmaßstab für die Umsetzung

Die erste Dekade der Projektentwicklung, der Pläne, Workshops, Machbarkeitsstudien, Expertengespräche, interkommunalen Arbeitsgemeinschaften, Förderprogramme, Regierungserklärungen, Wettbewerbe, Kostenschätzungen, Ausführungsplanungen, Baustelleneröffnungen und der Einweihungen fertiggestellter Projekte geht zu Ende.
Das Erreichte kann sich sehen lassen - und: wird gesehen und genutzt.
Das Gebaute kann beschritten und erlebt werden - und: es kann zur kritischen Überprüfung der Parkvisionen herangezogen werden.
Die großen Einzelprojekte im Emscher Landschaftspark haben Tausende von Besuchern und ein vielfältiges Medienecho erreicht. Mit vielen kleinen Projekten und Wegebaumaßnahmen ist die ökologische Qualität der Stadtlandschaft verbessert und ihre Alltagstauglichkeit und Attraktivität weiterentwickelt worden.
Link zur PDF/Originaltext.

Autor: Michael Schwarze-Rodrian (in "IndustrieNatur - Ökologie und Gartenkunst im Emscher Park", hrsg. von Jörg Dettmar und Karl Ganser, Stuttgart 1999)

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Karte Emscher Landschaftspark © RVR

Robert Schmidt / SVR

Robert Schmidt war der erste Verbandsdirektor des 1920 gegründeten Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk, des Vorläufers des heutigen Regionalverbandes Ruhr. Er wurde am 13. Dezember 1869 in Frankfurt am Main geboren. Nach dem Besuch des Realgymnasiums absolvierte Robert Schmidt ein Studium in Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule in Hannover. Er war in verschiedenen Funktionen im Ruhrgebiet tätig, bevor er 1907 von in der Stadt Essen zum Baurat der Stadterweiterung und technischen Beigeordneten gewählt wurde. Als Leiter des Stadterweiterungsrates war er für die Entwicklung einer neuen Bauordnung für Essen verantwortlich und konzipierte zusammen mit dem Architekten Georg Metzendorf die Errichtung des Stadtviertels Margarethenhöhe. Im Jahr 1912 verfasste er seine bis heute bedeutende Denkschrift über die Grundsätze zur Aufstellung eines General-Siedlungsplanes für das Ruhrgebiet. Sie war der Grundstein für die Bildung des Siedlungsverbandes, denn sie bildete die wesentliche konzeptionelle Grundlage für den Essener Oberbürgermeister Hans Luther, einen Gesetzesentwurf zur Gründung des Siedlungsverbandes gemeinsam mit weiteren Akteuren in die Preußische Landesversammlung einzubringen, den diese am 5. Mai 1920 einstimmig annahm. Im gleichen Jahr veröffentlichte Robert Schmidt eine weitere Denkschrift zur Walderhaltung im Ruhrgebiet, in der erstmalig auf die Schäden und Folgen der Industrialisierung aufmerksam gemacht wurde.


Robert Schmidt © Historischer Verein Essen

Wandel ohne Wachstum

Die Forderung nach Wandel ohne Wachstum hat ihren Ursprung in den vom „Club of Rome“ im Jahre 1972 zum ersten Mal systematisch aufgezeigten „Grenzen des Wachstums“. Obwohl die Prognosen des damaligen Wissenschaftlerteams bislang nicht eingetroffen sind, hat danach zumindest in den westlichen Industrienationen ein Umdenken sowohl über die Wirtschafts- als auch über die Lebensweise stattgefunden. Ein Wachstumsstopp, geschweige denn eine systematische Umkehr zu einem geringeren Ressourcenverbrauch vor allem nichtregenerierbarer Naturstoffe hat jedoch bislang nicht stattgefunden. Stattdessen wurde unter der Maßgabe der Nachhaltigkeit die Forderung nach Wandel ohne Wachstum in eine nach dem Wandel des Wachstums selbst verknüpft. Dieser betrifft zum einen die Betonung der Nachhaltigkeit des Wirtschaftens in Form einer Grünen Ökonomie, d.h. eine konsequenten Beachtung der ökologischen Rahmenbedingen in Form der Kreislaufwirtschaft und des ökologisch effizienten Material und Energieeinsatzes. Zum anderen ist damit eine nachhaltige Form der Konsumption gemeint, die einerseits auf einer höheren Bewertung immaterieller Lebensqualität beruht und andererseits auf eine gesünderen und umweltbewussteren materiellen Verbrauch/Verzehr nach der Maßgabe „Weniger ist mehr“. Die Forderung nach Wandel ohne Wachstum wird damit auch zu einer nach Wandel durch Kultur, da sie ohne einen Wandel von gesellschaftlichen Werten und sozialem Verhalten nicht zu haben ist.


Degrowth © Colectivo Desazkundea (Decrecimiento), Flickr

Ruhrtriennale rAndom International: Tower © Michael via Flickr

Kultur Ruhr GmbH

Die Kultur Ruhr GmbH wurde 1998 als Instrument der sogenannten "Regionalen Kulturpolitik" der Landesregierung NRW für das Ruhrgebiet gegründet. 2001 fand die Umgründung der Kultur Ruhr GmbH alt in die Kultur Ruhr GmbH neu statt, mit der Aufgabe des Aufbaus und der Etablierung eines internationalen Kunstfestivals in den renovierten Räumen der industriellen Hinterlassenschaft im Ruhrgebiet wie z.B. in der Jahrhunderthalle Bochum. Zu Zeit verfügt sie über vier eigenständigen Programmsäulen: die Ruhrtriennale, das ChorWerkRuhr, die Tanzlandschaft Ruhr und die Urbanen Künste Ruhr. Letztere wurde Ende 2011 ins Leben gerufen und gilt als Nachfolge der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010, um weiterhin künstlerische Projekte im urbanen Raum zu realisieren. Dazu gehört mittlerweile auch das Projekt Emscherkunst, das unabhängig von der Kultur Ruhr GmbH von der Emschergenossenschaft im Rahmen des Emscherumbaus entwickelt wurde. Für jede Säule der Kultur Ruhr GmbH wird in einem dreijährlichen Turnus ein eigener künstlerischer Leiter bestellt. Somit erhält jeder Bereich eine inhaltliche Eigenständigkeit, die auch nach außen sichtbar wird.

Wissenswertes


Wegweiser © Eckart Waage

Die Route der Industriekultur

ist ein Projekt des Regionalverbandes Ruhr (RVR) und verbindet als touristische Themenstraße die „wichtigsten und touristisch attraktivsten“ Industriedenkmäler des Ruhrgebiets. Die Auswahl der aufgezählten Stationen trifft der RVR.
Es handelt sich jedoch nicht um eine einzige Strecke, sondern um ein Netz, das Museen, Ausstellungen, Panorama-Aussichtspunkte und historisch bedeutsame Siedlungen miteinander verbindet. Die einzelnen Orte stellen die industriellen Entwicklungen der zurückliegenden Jahrhunderte im Ruhrgebiet dar. Hierbei dürfte es sich um das weltweit umfangreichste touristische Netzwerk zur Erschließung des industriekulturellen Erbes einer zusammenhängenden Region handeln. Für Radfahrer gibt es ein gesondertes Wegenetz.
Es ist eine etwa 400 km lange Ferienstraße ausgeschildert, die sämtliche Attraktionen einschließt. Das Netz umfasst insgesamt etwa 700 km Radweg im Rahmen der Route der Industriekultur per Rad. Ferner gibt es besondere Routen für Menschen mit Behinderungen sowie Abenteuer für Kinder.
Regelmäßig überarbeitet der RVR die Stationen im Netzwerk, so werden Themenrouten erweitert oder korrigiert und neue Ankerpunkte eröffnet.
Die Route der Industriekultur im Ruhrgebiet ist auch als so genannte „Regionale Route“ Teil von „ERIH - European Route of Industrial Heritage“, der Europäischen Route der Industriekultur.


Baustellenschild Kofi © Jens Kuu, Flickr

ÖPEL - Mittel zum Zweck

ÖPEL ist die Abkürzung für das Ökologieprogramm Emscher-Lippe-Raum, das 1991 von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens zur Verbesserung der ökologischen Bedingungen im Ruhrgebiet gegründet wurde. Ziel des Programms ist die ökologische Aufwertung des Emscher-Lippe-Raums mit dem zentralen Bereich Emscher Landschaftspark. Einer der Hauptaspekte ist die Ausbildung eines Grünzuges in Ort-West-Richtung entlang der Emscher und des Rhein-Herne-Kanals, da die bisherigen Grünzüge in Nord-Süd-Richtung ausgeprägt waren. Wichtiges Leitprojekt war die Internationale Bauausstellung Emscher Park im Jahre 1999. Gefördert werden Maßnahmen einschließlich des Grunderwerbs, welche die ökologischen Funktionen dieses Raumes wiederherstellen, entwickeln und nachhaltig sichern. Aus Landesmitteln werden jährlich circa 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Seit 1996 fördert auch die Europäische Union das Programm, finanziert aus NRW-EU-Programm Ziel 2 (Phase V) Mitteln. Bekannte Projekte waren unter anderem der Landschaftspark Duisburg-Nord, die Bundesgartenschau im Nordsternpark, der Landschaftspark Emscherbruch mit den Halden Hoheward und Hoppenbruch, die Anlage des Rad- und Wanderweges Erzbahntrasse und die Erstellung des Phoenixsees.